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"Hamlet" von William Shakespeare im Düsseldorfer Schauspielhaus

Copyright: Sebastian Hoppe

 

Der dänische Hof ist ein güldener Kerker. In seiner Inszenierung des "Hamlet", mit der er zugleich seine Intendanz am Düsseldorfer Schauspielhaus einleitet, lässt Staffan Valdemar Holm die Schauspieler in einem großen leeren Raum - ohne Fenster, ohne Türen - agieren. Dazu gibt es eine ausgeklügelte Choreographie, in der sich die Schauspieler wie Aufziehpuppen auf einem Schachbrett bewegen.

 

Seine Version siedelt die Tragödie ganz im Privaten an, denn die politische Dimension wurde mit den Fortinbras-Szenen gestrichen. Und so macht sich eher jetztzeitige softige Stimmung breit. Dazu passt, dass Polonius (Sven Walser) eher besorgter Vater als geschwätziger Hofschranze ist. Seine Tochter Ophelia (Lea Draeger) ist eine magere Modellelevin mit quäkiger Stimme, die im Designerhängerchen über die Bühne stakst. Sie bleibt mit ihrem Girlygetue leider die schwächste Figur des Abends. Da ist "ihr schlendert, ihr trippelt, ihr lispelt" etwas zu wörtlich genommen. Gertrude (Imogen Kogge) mit Betonfrisur und Handtäschchen, rein äußerlich ein Verschnitt zwischen Margret Thatcher und Queen Elisabeth, wendet deren Power lieber im Ehetechelmechtel an. Neben den eher blässlich gezeichneten Frauenfiguren brilliert Rainer Bock als Hamlets Onkel Claudius, ein Managertyp, nach außen smart, aber in seinen Handlungen knallhart. Er ist der Gegenspieler Hamlets, der im Gegensatz zu diesem äußerst entscheidungsfreudig ist, auch wenn seine Pläne nicht den geplanten Erfolg zeitigen.

 

Und Hamlet selbst? Der große Melancholiker ist er hier nicht, seinen gewichtigen Reflexionsmonolog handelt er eher nebenbei ab, auch ist ihm sein Wortwitz etwas abhanden gekommen. Aleksandar Radenkovi? ist weichgespültes Muttersöhnchen, eher traumatisiert davon, dass Eltern auch Geschlechtstriebe haben können, als daran interessiert, den Mord an seinem Vater zu rächen. und so ergibt sich denn das schaurige Ende der Geschichte fast nebenbei...

 

Im "Hamlet" äußert sich Shakespeare auch durch Hamlets Anweisungen an die Schauspieltruppe, die die sogenannte Mausefalle darstellen sollen dazu, wie das Schauspielen zu betreiben sei. Daran hält sich Holm klugerweise keineswegs, denn schon im Stück selbst ist Hamlet gezwungen, eine Maske des Lugs und Trugs anzulegen. Holms "Hamlet" macht das durch seine choreographischen Elemente deutlich. Der englische Begriff "to act", im Deutschen sowohl mit "handeln" als auch "schauspielern" zu übersetzen, zieht sich leitmotivisch durch das Stück. Holm treibt dies auf die Spitze, indem er Marianne Hoika (als Rosencrantz, 2. Schauspieler) mit einer Reflexion zu ihrer langjährigen Schauspielertätigkeit aus der Rolle fallen lässt. Das kommt allerdings etwas zusammenhanglos daher, ein überraschender Gag, mehr nicht. Das Publikum zeigte sich begeistert von Holms "Hamlet"-Interpretation.

 

Besetzung:

Rainer Bock / Claudius (König von Dänemark), Geist von Hamlets Vater

Imogen Kogge / Gertrud (Königin von Dänemark)

Aleksandar Radenkovi? / Hamlet

Markus Danzeisen / Horatio

Sven Walser / Polonius

Taner Sahintürk / Laertes

Lea Draeger / Ophelia

Marianne Hoika / Rosenkranz

Winfried Küppers / Güldenstern

 

Regie: Staffan Valdemar Holm

Bühne: Bente Lykke Møller

Kostüme: Bente Lykke Møller

Licht: Torben Lendorph

Dramaturgie: Ludwig Haugk

 

Premiere Premiere 4. November 2011

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