Unter dem Arbeitstitel „2010 – Odyssee Europa“ veranstalten das Theater Dortmund, das Schauspielhaus Bochum, das Theater an der Ruhr in Mülheim, das Schlosstheater Moers und das Schauspiel Essen gemeinsam eine Reise durch das Ruhrgebiet zu den Wurzeln Europas.
Grundlage für das gemeinsame Theaterprojekt bildet die „Odyssee“: Jedes der beteiligten Theater erzählt und inszeniert dabei einen Teil des Gesamtzyklus, der jeweils von einem zeitgenössischen Autor bearbeitet wird. Aus den Homerschen Gesänge entstehen so fünf eigenständige und in sich abgeschlossene Theatertexte und Uraufführungen. Diese können von den beteiligten Theatern einzeln und unabhängig voneinander gespielt werden. Zu verabredeten Terminen sollen dann alle Inszenierungen gleichzeitig an jeweils einem Wochenende angeboten werden. Die Zuschauer können mit Bussen, möglicherweise mit dem Schiff und anderen Verkehrsmitteln quer durchs Ruhrgebiet von Theater zu Theater reisen und die „Ruhr-Odyssee“ erfahren und erleben.
Mit „2010 – Odyssee Europa“ stellen die Theater des Ruhrgebiets anhand eines der ältesten europäischen Texte gemeinsam die Frage nach den Wurzeln Europas und untersuchen ihre zeitgenössischen Entsprechungen und die Perspektive des Zusammenlebens in Europa und der Region.
Projektskizze
2010 - ODYSSEE EUROPA
Kooperationsveranstaltung der sechs Sprechtheater der Region
zur Kulturhaupstadt 2010 - Konzeptskizze
Die Theater Dortmund, Bochum, Mülheim, Moers und Essen veranstalten gemeinsam eine Reise durch das Ruhrgebiet zu den Wurzeln Europas.
Dabei bleiben sie auf der Spur des ältesten europäischen Reisenden und des ersten Dichters des Abendlandes: sie bearbeiten und inszenieren in fünf Teilen an fünf Theatern mithilfe von sechs Autoren die Odyssee.
Jedes der beteiligten Theater erzählt und inszeniert einen Teil der Odyssee, der von einem zeitgenössischen Autor neu bearbeitet wird. Gespielt wird jeder Teil einzeln und unabhängig voneinander, aber zu verabredeten Terminen werden alle Inszenierungen an einem Tag angeboten und die Zuschauer können mit Bussen und anderen Verkehrsmitteln quer durchs Ruhrgebiet von Theater zu Theater reisen und die „Ruhr-Odyssee“ erfahren und erleben.
„Alles, was an Intelligenz, Gewandtheit, Diplomatie, Pragmatik, unzerstörbaren Lebenswillen, Erfindungsgeist und prinzipieller Hoffnung in Menschen lebt, war seit Jahrtausenden auf Odysseus übertragen worden“ schreibt Joachim Latacz über den ersten Helden Europas. Odysseus ist ein exemplarischer Europäer: er ist zuhause im Kulturraum des Mittelmeeres, kreuzt zwischen Orient und Europa, kehrt vom Wege ab, lässt sich verführen von Schönheit und Gesängen, doch rettet er sich stets mit List und Verstand und behauptet sich selbstbewusst gegen grollende Götter.
So ist Odysseus immer auch ein moderner Europäer gewesen: die Auseinandersetzung mit fremden Kulturen findet in der „Odyssee“ ihren ersten literarischen Niederschlag. Seine Abenteuergeschichten sind erste Modelle für eine globalisierte Welt, in der man an jeder Ecke dem vermeintlich Fremden begegnet. Die Odyssee erzählt von einem Europa, das ohne den Orient und Nordafrika nicht denkbar wäre und erinnert an die gemeinsamen Wurzeln dieser Regionen. In der Konfrontation mit anderen Kulturen entwickelt sich ein Bewusstsein für die eigene Heimat, die man nur in der Fremde als Verlorene begreift: das Finale der Odyssee bildet die Heimkehr des Helden und es ist, wie jeder Kriegsheimkehrer weiß, nichts mehr so, wie es mal war. Odysseus muss sich mit Gewalt seinen Platz und seine Frau zurück erobern.
Schon aus dieser kurzen Skizze wird deutlich, wie viele zeitgenössische Fragen und moderne Bezüge in diesem klassischen Text liegen. Aktuelle Debatten wie die nach einem zeitgenössischen Heimatbegriff und die Problematik kultureller Differenz sind Fragen, die bereits in die Odyssee eingeschrieben sind. Die Geschichte Europas muss mit Odysseus als eine Geschichte von Reisenden, von Heimat und Fremdheit erzählt werden. Europa ist eine große Region unterschiedlicher Kulturen, die durch unzählige Bewegungen und Wanderungen miteinander verbunden sind. So ist das dichte Netz europäischer Identität durch Wanderungen, Migration und Austausch der Kulturen entstanden.
Sechs Autoren bearbeiten jeweils einen Teil der 24 Gesänge. Der Text wird in sechs Passagen und Sinnabschnitte eingeteilt, so dass in der Bearbeitung fünf eigenständige und in sich abgeschlossene Theatertexte und Uraufführungen entstehen. Der klassische Stoff erfährt in einer aktuellen Bearbeitung durch namhafte, im Idealfall internationale/europäische Autoren eine neue, spannende Aufladung: die alte Geschichte bleibt erhalten und bildet die Grundlage, auf der zeitgenössische Dramatik ihre Fragen stellt.
Eine mögliche Gliederung der Odyssee zu einzelnen Stück-Passagen bietet sich von der Struktur der Gesänge wie folgt an:
Teil 1: „Rat der Götter“ – Die Götter beratschlagen und entscheiden, dass Odysseus nach Hause zurückkehren darf. Nach zehnjährigem Krieg gegen Troja macht er sich nun endgültig auf die Heimfahrt. Gleichzeitig macht sich sein Sohn Telemachos auf, seinen verschollenen Vater zu suchen.
Teil 2 bis 4: „Die Irrfahrt“ - Hier kann jeweils ein Stück eines der Abenteuer der sogenannten „Irrfahrten des Odysseus“ bearbeiten. Auf seinen Reisen kreuzt Odysseus durch das Mittelmeer und wird von fürchterlichen Gewalten und Gestalten an seiner Weiterfahrt gehindert. Er trifft auf Polyphem, den einäugigen Riesen, die Zauberin Circe, die seine Gefährten in Schweine verwandelt, die Sirenen, die beiden Seeungeheuer Skylla und Charybdis und die gefährliche Lotosfrucht im Land der Lotophagen, die Heimat und Vergangenheit vergessen lässt. Alle Widerstände und Gefahren überwindet Odysseus mit Mut, Verstand und Erfindungsgeist. Aus jedem einzelnen Abenteuer lässt sich ein Stück entwickeln oder aber Stationen werden zusammengefasst. Diese Aufteilung kann nach Absprache mit den einzelnen Häusern und Dramaturgien vorgenommen werden.
Teil 5: „Die Heimkehr“ – Odysseus kehrt nach Ithaka zurück und muss sich seinen Platz neu erobern. Auch hier bedarf es einiger List und Verstellung, bis es zum letzten Großen Gefecht gegen die Freier kommt und Odysseus sich als der König von Ithaka zu erkennen gibt. Am Ende dieses Teiles steht das Wiedersehen mit seiner Frau Penelope und seinem Sohn Telemach.
Denkbar ist auch ein ganz eigenes Stück, das die Geschichte Odysseus aus der Perspektive seines Sohnes Telemach erzählt. Auch dieser Teil ist in der Odyssee angelegt: in einem parallelen Handlungsstrang, der „Telemachie“, wird von der Suche des Sohnes, seinen Abenteuern und dem Wiedersehen mit dem Vater erzählt.
Wenn die Geschichte der Odyssee eine Geschichte von Aufbruch und Abenteuer, von alter und neuer Heimat, von Mut und Erfindungsgeist ist, dann ist es ganz sicher eine Geschichte, die ins Ruhrgebiet gehört. So, wie das Ruhrgebiet eine Stadt der Kulturen ist, entstanden aus dem Mut und Erfindungsgeist der Migranten und Reisenden, die hier Arbeit und Heimat fanden, so erzählt die Odyssee auch von diesen Aufbrüchen und Abenteuern. Die Theater des Ruhrgebiets laden ein zu einer Reise quer durch die Region, die Geschichten und durch Europa.
Zum ersten Mal entsteht mit diesem Projekt eine gleichberechtigte Zusammenarbeit aller größeren Sprechtheater des Ruhrgebietes.