Apollon, erklärter Freund des bedrohten Admet, erwirkt bei den Moiren, den Schicksalsgöttinnen, einen Aufschub, gelänge es einen Stellvertreter zu finden. Da aber keiner freiwillig für Admet sterben will, am wenigsten seine greisen Eltern, beschliesst Alkestis, die Königin, sich im Namen der Gattenliebe für ihn zu opfern, nicht ohne eindringlichen Appell an ihren Mann, sich keine neue Frau zu suchen. Mitten in die Trauerzeremonie platzt Herakles, auf der Durchreise zu einem seiner zahlreichen Aben¬teuer, und wird von Admet trotz des Trauerfalls gastfreundlich aufgenommen, indem er verschweigt, um wen es sich wirklich bei der Toten handelt. Von einer Dienerin erfährt Herakles schliesslich den Betrug des Freundes, möchte ihm eine Lektion erteilen und die eigene Schuld sühnen, indem er Alkestis dem Hades entreisst. Am Ende überbringt Herakles dem Admet eine verschleierte Frau, angeblich eine Siegestrophäe: vielleicht ist es Alkestis, vielleicht aber auch eine fremde, sehr schöne Frau, die Alkestis ähnlich sieht. Auf Drängen von Herakles nimmt Admet sie - entgegen seiner Versprechungen gegenüber der verstorbenen Gattin - schliesslich doch in sein Haus auf und erkennt in ihr seine Frau, die stumm vor ihm stehen bleibt... Alkestis, von Admet geopfert, hat erfahren was sterben heisst, Admet was trauern heisst. Das kann nicht ungeschehen gemacht und das Wissen um die Notwendigkeit, den eigenen Tod zu sterben, kann nicht mehr verdrängt werden. Wie aber leben mit diesem Wissen?
Ist es ein Stück über das Liebesopfer der Frau und die Todesverweigerung des Mannes? Ist es ein Drama über die Entscheidungsfreiheit des Menschen angesichts einer ausweglosen Situation? Euripides konfrontiert uns in «Alkestis» mit der grundlegenden Frage: Was ist Sterben und wie ist es darstellbar?
Emma Dantes Inszenierung und ihr Theater im Allgemeinen ist geprägt von einer starken Körpersprache. Ihre Übersetzung von Theatertexten in gross angelegte Bilder - die in ihrer Gestik und Be¬wegung an Tanztheater erinnern und es dennoch nicht sind - zeugt von einem Erfindungsreichtum, der sehr stark von den Ritualen, Traditionen und visuellen Eindrücken ihrer Heimat Sizilien geprägt ist. Vorder¬gründig grotesk und hintergründig brutal inszeniert Dante ihre Alkestis als Ikone der besten Ehefrau unter der Sonne, die, einer christlichen Heiligen gleich, von ihrer Familie - dem Chor - in einer virulenten Prozes¬sion zu Grabe getragen wird. Emma Dante verlegt die Geschichte von Euripides in die Innenräume einer grossbürger¬lichen Familiengruft, in der sich scheinheilige Trauerzeremonien, groteske Todesrituale und private Beziehungsdramen in aller Öffentlichkeit abspielen.
PRODUKTIONSTEAM: Emma Dante (Inszenierung), Emma Dante und Tassilo Tesche (Ausstattung), Anke Zimmermann (Dramaturgie), Peter Carp (Produktionsleitung), Peter Weiss (Licht)
MIT: Danielle Clamer, Elisabeth Kopp, Annika Meier, Elina Müller Meyer, Anja Schweitzer, Marta Zollet, Sabino Civilleri, Kristof Gerega, Christoph Künzler, Gian Luca Loddo, Carmine Maringola, Jürgen Sarkiss, Andreas Storm, Peter Waros