An der alten Heimat, dem Vaterhaus, hängen zu viele Erinnerungen, als daß man das Gut dem schnöden Profit opfern wollte - und so kommen der Kirschgarten und das Haus unter den Hammer, geht die Familie, die alte Welt unter.
In einem Land, in dem Lebenshilfe-Ratgeber zum Thema "stilvoll Verarmen" von deutschen Adligen zum Bestseller werden und Simplifier lernen, Ballast abzuwerfen, scheint die Geste der Ranewskaja, die lieber noch einen Sommer feiert und ihr letztes Geld einem Bettler schenkt, ein kühner Akt der Freiheit. Oder ist es nur eine gnadenlose, egoistische, dumme Verschwendung, die ihrer Tochter, ihrem Bruder und der Ziehtochter das zukünftige Leben verbaut? Auch Aufsteiger und Kapitalist Lopachin wird, als er schließlich selbst das Gut ersteigert, mit seinem Schnäppchen nicht recht glücklich. Mit dem erzielten Gewinn, dem Hof, auf dem die Vorväter noch als Leibeigene dienten, weiß er eigentlich nichts anzufangen.
Tschechow nannte sein letztes Stück - ein knappes Jahr danach starb der Dichter und Arzt mit 44 Jahren an Tuberkulose - eine Komödie. Er empfand diesen Abgesang auf eine Welt, in der die Verschwender weiter ihr Leben verträumen, die Cleveren ihr Glück machen und die Arbeitenden verloren zurückbleiben, als "komisch, sehr komisch".
Der Regisseur Lars-Ole Walburg, 1965 in Rostock geboren, ist Schauspieldirektor am Theater Basel und inszeniert bereits zum fünften Mal in Folge an den Münchner Kammerspielen. Nach den großen Auseinandersetzungen um Politik und Macht in seinen Inszenierungen von "Dantons Tod" von Büchner, "Heiliger Krieg" von Goetz, "Antigone" von Sophokles und "Hamlet" von Shakespeare wendet er sich erstmals Tschechows traurigen bürgerlichen Komödien zu.
Regie Lars-Ole Walburg
Bühne Robert Schweer
Kostüme Kathrin Krumbein
Dramaturgie Björn Bicker
Musik Theo Nabicht
Licht Max Keller
Mit Stephan Bissmeier, Anna Böger, Matthias Bundschuh, Martin Butzke, René Dumont, Walter Hess, Brigitte Hobmeier, Cristin König, Theo Nabicht, Michael Neuenschwander, Hildegard Schmahl