Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
"Der Menschenfeind" von Molière im Schauspielhaus Chemnitz"Der Menschenfeind" von Molière im Schauspielhaus Chemnitz"Der Menschenfeind" von...

"Der Menschenfeind" von Molière im Schauspielhaus Chemnitz

Premiere: 3. Oktober 2015, 19.30 Uhr. -----

Wir alle benutzen sie täglich ca. zweihundert Mal und ohne sie würden wir nicht auskommen – die Lüge. Aber wie weit darf man gehen, ohne sich selbst zu verlieren oder für Freunde, Partner, Feinde unberechenbar zu werden? Sich mit gelegentlichen Lügen kommunikativ geschmeidig zu verhalten, mag die eine Seite der Medaille sein, unerkennbar zu werden, ist die andere.

Angewidert von einer Gesellschaft, die heute das eine und morgen das Gegenteil behauptet, setzt Alceste ihr das Ideal entgegen, immer die Wahrheit zu sagen. Nicht nur, dass er Freunde mit seinen Wahrheiten unnachsichtig vor den Kopf stößt, nein, bei nahezu jeder Gelegenheit traktiert er die geliebte Célimène mit Vorwürfen wegen ihres widersprüchlichen Verhaltens. Und dies nicht ganz zu unrecht. Denn einerseits lässt ihn die Dame seines Herzens hoffen, andererseits führt sie ein illustres Leben auf Partys und in Gesellschaften. Unentschieden zwischen ihren zahlreichen Liebhabern macht sie charmant allen Avancen. Doch je mehr sich der verliebte Alceste von Célimène erhört glaubt, desto weniger versteht er ihr Verhalten. Hilflos gefangen zwischen Gefühl und Verstand fleht er sie schließlich an, die Seine zu werden. Doch das kommt für Célimène nicht in Frage. Der Besitz eines Mannes zu sein, noch dazu eines solchen Besserwissers, nein danke! – Sehr zum Vergnügen des Publikums werden Célimène und Alceste mit ihren blinden Flecken konfrontiert, denn eine Komödie mit Substanz ist keineswegs die kleine Schwester einer Tragödie.

 

Molières (1622-1673) Kunst zeichnet aus, Figuren voller Widersprüche mit leichter Sprache zu schaffen. Mal gibt er seine Helden dem Verlachen preis, dann fängt er sie liebevoll wieder auf. Molière geht es nicht um die großen Dinge des Weltgeschehens, nein, viel feiner, um die kleinen Kämpfe unserer Herzen im Alltag, unsere kleinen Lügen und Irrtümer. Nicht umsonst werden die Stücke des großen Franzosen wie „Der eingebildete Kranke“ und „Der Geizige“ bis heute allerorten gespielt.

 

Drei Schauspieler werden mit dieser Inszenierung ihr Chemnitzer Debüt geben: Pia-Micaela Barucki, Jan Gerrit Brüggemann sowie die herausragende, zuletzt am Theater Basel engagierte Katka Kurze als Célimène. Darüber hinaus arbeitet Schauspieldirektor Carsten Knödler das erste Mal mit dem Bühnenbildner Frank Hänig zusammen. Der umtriebige Künstler hat Dresdner Theatergeschichte in den 1980ern und 1990ern mitgeschrieben und ist derzeit Professor an der TU Berlin.

 

Carsten Knödler (Regie) wuchs in Chemnitz auf. Er studierte Chemie und später Schauspiel (Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig). Von 1995 bis 2003 war er als Schauspieler und Regisseur am Schauspielhaus Chemnitz engagiert. In dieser Zeit inszenierte er u. a. „Effi Briest“, „Hexenjagd“, „Die verzauberten Brüder“, „Süßer Vogel Jugend“ sowie zuletzt „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“. Von 2009 bis 2013 leitete er als Schauspielintendant das Theater Zittau. Ihm gelang es durch einen facettenreichen Spielplan und ein starkes Schauspielerensemble die Zuschauerzahlen des Zittauer Theaters zu steigern und die internationale Ausrichtung des Theaters zu erneuern. Seit der Spielzeit 2013/2014 ist Carsten Knödler als Schauspieldirektor an den Theatern Chemnitz engagiert. Auch hier konnte er die Zuschauerzahlen im Schauspiel beträchtlich steigern. Für seine letzten Inszenierungen von Ibsens „Volksfeind“ und Williams‘ „Camino Real“ erhielt er zum Teil herausragende Kritiken.

 

Deutsch von Jürgen Gosch und Wolfgang Wiens

 

Regie: Carsten Knödler

Bühne: Frank Hänig

Kostüme: Elżbieta Terlikowska

 

mit: Philipp Otto (Alceste), Jan Gerrit Brüggemann (Philinte), Christian Ruth (Oronte), Katka Kurze (Célimène), Pia-Micaela Barucki (Éliante), Ulrike Euen (Arsinoé), Stefan Migge (Acaste), Martin Valdeig (Clitandre), Wolfgang Adam (Basque, Gardist, Dubois)

 

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 18 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

JAGENDE HORN-PASSAGEN -- Neue CD von Helmut Lachenmann "My Melodies" bei Naxos (BR Klassik - musica viva)

Ein kompositorischer Umgang mit dem Phänomen Melodie steht im Mittelpunkt der Komposition "My Melodies" für acht Hörner und Orchester des 1935 in Stuttgart geborenen Helmut Lachenmann. Unter der…

Von: ALEXANDER WALTHER

VOLLENDETER FORMALER AUFBAU -- Bachs Matthäus-Passion mit den Stuttgarter Hymnus-Chorknaben in der Stiftskirche STUTTGART

Für Karfreitag 1729 schrieb Johann Sebastian Bach seine "Matthäus-Passion" BWV 244 und arbeitete sie dann noch dreimal um. Der vollendet ausgewogene Aufbau dieses Meisterwerks kam in der Aufführung…

Von: ALEXANDER WALTHER

SCHONUNGSLOSE SELBSTERKENNTNIS --- John Gabriel Borkman im Schauspielhaus Stuttgart

Henrik Ibsen ist der Dramatiker der schuldhaft versäumten Selbstemanzipation. Er setzt sich schonungslos mit den Lebenslügen der Menschen auseinander. Seiner Devise "Dichten ist Gerichtstag halten…

Von: ALEXANDER WALTHER

DRAMATISCH GEBALLTER ABLAUF --- Verdi Operngala im Forum am Schlosspark Ludwigsburg

Vorwiegend Spätwerke Giuseppe Verdis standen bei dieser sehr gelungenen Operngala auf dem Programm. Die vorzüglich musizierende Württembergische Philharmonie Reutlingen unter der inspirierenden…

Von: ALEXANDER WALTHER

FEINSTE SCHATTIERUNGEN DES GEFÜHLS -- Stuttgarter Philharmoniker unter Gabriel Feltz mit Berg und Brahms in der Liederhalle Stuttgart

Wieder konnte man als "Minutenstück" eine interessante Komposition eines Studenten der Kompositionsklasse von Prof. Marco Stroppa an der Stuttgarter Musikhochschule hören. Der 1987 in Mailand geborene…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑