Schuld daran sind nicht zuletzt die Schiffsratten, die den Angestellten übel mitspielen. Eine von ihnen entpuppt sich im Laufe der Veranstaltung als der berüchtigte Coach und Bestsellerautor Frank Schäfer, dessen aktueller Erfolgstitel „Überleben!“ alle Auflagenrekorde bricht. Die Damen und Herren an Bord sind begeistert. Noch ahnen sie nicht, was ihnen bevorsteht und genießen die Abwechslung, die der gemeinsame Ausflug bietet. Für ein paar Stunden raus aus dem Arbeitsalltag. Bei einer Zigarette auf dem Raucherdeck kommt man ins Plaudern. Nach ein paar Gläsern kommt man sich näher.
Es sind kleine, alltägliche Geschichten, die Sibylle Berg ihre Figuren erzählen lässt. Geschichten von Trennungen und Therapien, Meriten und Marotten. Im Vorbeigehen hat man sie schon tausendfach gehört. Hier bleibt man endlich einmal stehen: befremdet und berührt zugleich. Da ist viel vom Alleinsein die Rede, von der Müdigkeit eines Paares, von Grillfesten und dem Warten auf die Rente. Doch für ein oder zwei Jahrzehnte gilt es sich noch fit zu halten für die Firma. Was lassen diese Menschen alles mit sich machen? Was verbergen sie vor sich selbst und vor anderen?
Wer in diesem Betrieb arbeitet, hat keine Wahl. Oder er wird abgewählt. Genau das passiert zu vorgerückter Stunde, wenn Schäfer, der Erfolgsguru, einen perfiden Wettbewerb eröffnet. Wer seinen Job behalten will, muss sich vor den anderen präsentieren: möglichst ehrlich, möglichst offenherzig, möglichst authentisch. Klar, dass keiner dieser Anforderung gewachsen ist. Die Selbstdarstellung wird zur Selbstentblößung – und am Ende triumphieren die Ratten.
Hermann Schein zeigt die Ratten als nimmermüde Animateure einer Theater-Wirklichkeit, die unsere Realität ad absurdum führen. Seine Inszenierung am Gießener Stadttheater legt er als Groteske an; in Stefan Heynes Bühnenbild bewegen sich die Figuren wie in einem Hamsterrad, aus dem es kein Entkommen gibt.