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„KASPAR“ von Peter Handke, Horizont-Theater Köln

Premiere 10.3.2009 um 20 Uhr

 

Bei „Kaspar“ handelt es sich um ein so genanntes Sprechstück. Darin soll nicht die Wirklichkeit abgebildet oder nachgeahmt werden, sondern mit Worten soll „die Welt in den Worten selber“ gezeigt werden.

 

Es gibt keine eigentliche Handlung, keine sinnvolle Dialogstruktur und keine eigentlichen Charaktere. Das Stück ist eine Projektionsfläche, auf die das Publikum seine Erwartungen projiziert, die jedoch beständig unterlaufen werden.

 

Kaspar Hauser, der Zeit seines Lebens ohne Kontakte zur anderen Menschen und zur Sprache in einem Kellerverlies eingesperrt gewesen war, tauchte 1828 in Nürnberg auf. Handke dient diese historische Figur des Kaspar Hauser als Aufhänger für seine Thesen. Dazu schreibt er in der Vorrede zum „Kaspar:

 

„Das Stück Kaspar zeigt nicht, wie ES WIRKLICH IST oder WIRKLICH WAR mit Kaspar Hauser. Es zeigt, was MÖGLICH IST mit jemandem. Es zeigt, wie jemand durch Sprechen zum Sprechen gebracht werden kann. Das Stück könnte auch Sprechfolterung heißen.“

 

Zu Beginn des Stücks hat Kaspar nur einen einzigen Satz zur Verfügung: „Ich möcht ein solcher werden wie einmal ein andrer gewesen ist“. Er stakst auf wackligen Beinen umher und hat noch keine Beziehung zu den ihn umgebenden Dingen Er erlebt diesen Naturzustand als ungeordnetes Chaos.

Im Verlauf des Stücks wird er von Einsagern mit Sätzen und Satzmodellen regelrecht bombardiert. Er wird dazu angestachelt, mit seinem Satz zu experimentieren, und lernt dadurch, reguläre Sätze zu sprechen, mit denen er die Dinge/Welt kontrollieren und ordnen kann. Dadurch wird ihm aber sein ursprünglicher Satz - und damit seine Individualität – ausgetrieben. Er wird sozialisiert, in die Gesellschaft integriert und trotz Widerstand angepasst.

 

Die Sprache dient dazu, ein Ordnungssystem aufzubauen, das von Kaspar widerspruchslos akzeptiert werden muss. Kaspar löst sich daraufhin in mehrere nutzlose Kaspar-Doppelgänger auf und ist damit austauschbar geworden. Er erkennt, dass die aufgebaute Ordnung und die erlernte Sprache trügerisch sind. Er lernt zu lügen. Damit ist seine psychische und physische Niederlage vollzogen.

 

Handke behandelt in diesem Stück sein eigenes, sehr ambivalentes Verhältnis zur Sprache. Er reflektiert kritisch konventionalisierte Erfahrungs- und Wahrnehmungsweisen. Für ihn besitzt die Sprache eine autoritäre Macht, über die sie menschliche Erfahrungen vermittelt, formt, verdreht, erweitert und abgrenzt. Sie hindert uns daran, die Welt so wahrzunehmen wie sie ist, Mit seinen Sprechstücken will er die Konventionen des Theaters aufbrechen, um dadurch die ihm verhasste hierarchische Gesellschaft zu zerstören.

 

Eckhardt Kruse-Seiler, Gastregisseur beim Horizonttheater, bringt den Kaspar von Peter Handke neu heraus, stellt ihn in die Kommunikationslandschaft unserer Zeit und erweitert die von Handke angesprochene „Sprechfolterung“ durch einen auf Kaspar, auf die Menschen einwirkenden multimedialen Terror.

 

Kaspar Björn Lukas

1. Einsager Andreas Strigl

2. Einsager Doris Lehner

 

Videoarbeiten Delphine Büschges

Fotoarbeiten Jürgen Elskamp

Dramaturgie/ Regieassistenz Oliver Mosler

Regie Eckhardt Kruse-Seiler

 

Premiere II 11.3. März,20.00 Uhr

Weitere Vorstellungen:

15.3. 19.3. 20.3. 2.4. 3.4.

15.4. 16.4. 17.4. 20.4. jeweils 20.00 Uhr

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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