Dort wird sie auf den Propheten Jochanaan aufmerksam, der - gefangen und gefesselt - nicht müde wird, dem lasterhaften und dekadenten Hofstaat um Herodes und seiner Frau Herodias den Untergang vorauszusagen. Salome aber fühlt sich von den eigenartigen Prophezeiungen des Jochanaan angezogen und erregt. Sie lässt sich von dem jungen Hauptmann der Wache, der ihr wiederum hoffnungslos verfallen ist, Zugang zum Propheten verschaffen. Fasziniert von seinen Worten und vernarrt in seinen Leib, will Salome Jochanaans Mund küssen – was dieser ihr verweigert.
Herodes, der ihr mittlerweile samt Feststaat auf die Terrasse gefolgt ist, verlangt immer drängender von Salome den „Tanz der sieben Schleier“ zu sehen - und verspricht schließlich, ihr alles dafür zu geben, was sie möchte. Sie verlangt: Den Kopf des Jochanaan. Und tanzt.
Oscar Wilde (1854 - 1900), „im Herzen Franzose, der Geburt nach aber Ire und von den Engländern dazu verurteilt, die Sprache Shakespeares zu sprechen“, wurde aufgrund seiner Sprachgewandtheit als Schriftsteller bewundert und provozierte zugleich als Prototyp des Dandys. Neben dem Roman „Das Bildnis des Dorian Gray“ sind es vor allem die Gesellschaftskomödien wie „Ein idealer Gatte“ oder „Bunbury“, die seinen Erfolg begründen. „Salome“, 1891 nach der biblischen Legende geschrieben und ein Meilenstein der Fin de Siècle-Literatur, wurde sofort von der englischen Zensur verboten und erst 1894, mit Sarah Bernhardt in der Titelrolle, in Paris uraufgeführt. Richard Strauss nahm Wildes Tragödie als Vorlage für seine erfolgreiche gleichnamige Oper, die 1905 in Dresden uraufgeführt wurde – was zur Folge hatte, dass Wildes Einakter als Schauspiel zu Unrecht etwas in Vergessenheit geriet.
„Salome“ steht unter den Werken Oscar Wildes einzigartig da und ist ein schwerer, dekadenter, lüsterner Traum voll Sprachgewalt und exzessiver Symbolik. Eine Tragödie, die die Begierde und die Liebe als die mächtigsten Kräfte der menschlichen Natur beschreibt. Im Guten wie im Bösen, in all ihrer Hitze und in all ihrer Kälte.
Die Chemnitzer Erstaufführung des Stücks inszeniert Claudia Bauer, Spezialistin für radikale Zugriffe auf Stücke und Stoffe, aus der Sicht der Salome - einer jungen Frau in einer Welt ohne Wertesystem, die in all ihrer Hilflosigkeit nach Halt und Wahrhaftigkeit sucht.
Claudia Bauer leitete von 1999 - 2004 das Theaterhaus Jena und war von 2005 - 2007 gemeinsam mit Enrico Lübbe als Hausregisseurin am Neuen Theater Halle engagiert. Seit Mitte der 90er Jahre machte sie sich deutschlandweit einen Namen als Regisseurin, u. a. an den Theatern in Stuttgart, München, Leipzig, Magdeburg, Wuppertal und Schwerin. Zuletzt inszenierte sie die Uraufführung von Anne Leppers „Seymor oder Ich bin nur aus Versehen hier“ in Hannover und „Endstation Sehnsucht“ von Tennessee Williams in Wuppertal. Nach ihrer hoch gelobten „Miss Sara Sampson“ aus dem Jahr 2005 und dem fulminanten „Peer Gynt“ in der vergangenen Spielzeit kehrt sie nun erneut an das Schauspiel Chemnitz zurück.
Übertragen von Hedwig Lachmann
Regie: Claudia Bauer
Bühne und Kostüme: Patricia Talacko, Bernd Schneider
Musik: Smoking Joe
mit: Daniela Keckeis (Salome), Bernhard Conrad (Jochanaan), Wenzel Banneyer (Herodes Antipas), Susanne Stein (Herodias) sowie Tilo Krügel, Constantin Lücke, Hartmut Neuber, Michael Pempelforth und Sebastian Tessenow (Der Hof und Gäste des Herodes)
Die nächsten Vorstellungen sind am 18. und 26. Mai 2012, je 19.30 Uhr im Schauspielhaus