Dass sich alle mit daher gesagten Beruhigungen abspeisen lassen, anstatt ernsthafte Pläne zur Abwendung der Katastrophe zu machen? Am Tag der Versteigerung feiern sie ein Fest mit Live-Musikern – und allen ist unbehaglich zumute.
Tschechow spürt der Frage nach, was in der nüchternen Moderne und ihren Rationalisierungen übrig geblieben ist von einer Welt, die irrational, vormodern und vielleicht eben auch mythisch ist. So, als würden aus den Ritzen und Fugen unserer rationalen Welt doch noch die Gespenster der Vorzeit hervorlugen. Und dann ist der seit Generationen im Familienbesitz befindliche Kirschgarten eben doch der Ort, an dem die Kindheitserinnerungen gespeichert sind, an dem die längst verstorbenen Seelen der Angehörigen – an günstigen Tagen – umhergehen, der Ort, an dem sich Freude und Leid übereinandergeschichtet hat und an dem Gegenwart und Erinnerung in eins fallen. Die Vertreibung vom Familienbesitz ist ganz sicher keine Vertreibung aus dem Paradies – aber, sie erinnert die Figuren möglicherweise daran, dass das Paradies den Menschen immer schon verloren ist; dass es uns womöglich nur in seiner utopischen Form gegeben ist, als von der Gegenwart projiziertes Ideal in ferner Vergangenheit oder noch fernerer Zukunft. Als immer wieder neu zu formulierende Vorstellung und Wegweiser.
Deutsch von Angela Schanelec
Nach einer Übersetzung von Arina Nestieva
Inszenierung: Patrick Schlösser, Bühne: Daniel Roskamp, Kostüme: Uta Meenen, Musik: Wolfgang Siuda
Mit Irene Christ* (Ranewskaja, Gutsbesitzerin), Elisabeth Hütter (Anja, ihre Tochter), Eva Maria Sommersberg (Warja, ihre Stieftochter), Dieter Bach (Gajew, ihr Bruder), Thomas Meczele (Epichodow, Komponist), Thomas Sprekelsen (Lopachin, Kaufmann), Alexander Weise (Trofimow, Student), Matthias Fuchs (Simeonow-Pischtschik, Gutsbesitzer), Sabrina Ceesay (Dunjascha, Dienstmädchen), Caroline Dietrich (Charlotta, Gouvernante), Christoph Förster (Jascha, ein junger Diener), Horst Lateika* (Firs, Diener) * als Gast