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"TS – Briefe an eine Geliebte" im Schauspielhaus Graz "TS – Briefe an eine Geliebte" im Schauspielhaus Graz "TS – Briefe an eine...

"TS – Briefe an eine Geliebte" im Schauspielhaus Graz

Gastspiel am 24. Mai 2008 um 19.30 Uhr, Hauptbühne

 

Zum Stück (Text von Christian Papke)

Wir schreiben das Jahr 1856. Theodor Storm, jener Dichter, der die norddeutsche Winterdepression in eine literarische Sehnsucht verwandelte, zieht aus Lübeck, dem Wohnort seiner großen Liebe Constanze ins nach damaligen Verhältnissen weit entfernte Husum.

Bilder von Kaminfeuer, Bratapfel und Tee mit Rum und Kandis ziehen an mir vorüber. Jener Storm, der den aufkeimenden Realismus mit dem Unheimlichen verband, irgendwo zwischen E.T.A Hoffmann und Edgar Allan Poe, ein Romantiker und doch ein höchst moderner Mann. Die graue Stadt am Meer, Stadt meiner Kindertage.

 

Ich steige ins Flugzeug. Mein Ziel ist das Theodor Storm Archiv, dessen engagierte Leiterin mir weithin unbekannte Texte versprochen hat. Die Trennung ist mehr als ein Rückzug ins Schreiben, sie ist verordnet von Constanzes Familie, welche die ungern gesehene Verbindung auf die Probe stellt. In den nächsten zwei Jahren wird ein Briefwechsel entstehen zwischen dem arrivierten Schriftsteller und der weitaus jüngeren Constanze, die anfangs ungelenk, im Verlauf eine immer eigenständigere Position entwickelt. Dieser Briefwechsel, literarisches Dokument und Zeitzeugnis gleichermaßen, ist erhalten und jetzt Ziel meiner Reise.

 

Langsam füllt sich das Flugzeug. Ich öffne meine Tasche, um meine Unterlagen durchzusehen. Als ich aufblicke, schaue ich in ein bekanntes Gesicht. Was machst du denn hier?, sagt Michael Maertens. Ich fliege nach Hamburg, antworte ich intelligenterweise – und du? Michael grinst und setzt sich neben mich, wir haben aufeinander folgende Sitznummern. Ah, du liest

 

Storm, sagt er, Storm hat mich immer schon interessiert!

Ich weiß, dass es Zufall ist. Doch manchmal fällt es schwer, daran zu glauben.

Müsste es nicht möglich sein, diesen Briefwechsel gekürzt für einen intimen Theaterabend aufzubereiten? Eine atmosphärische Lesung vielleicht für dunkle Abende? Theodor Storm mag ein Trost spendender Literat gewesen sein. Doch die Dämonen, die seine Geschichten bevölkern, holen ihn im Alltag selbst ein. So zumindest scheint es in seinen Briefen. Wer wäre besser geeignet, diese Brüche feinfühlig zu interpretieren, als Michael Maertens, selbst Norddeutscher, mit seinem warmen, klangvollen Timbre?

 

Einmal angenommen – wer könnte die anfangs etwas unbedarfte Kindfrau darstellen, die im Laufe der Zeit mit Aufrichtigkeit und Gradlinigkeit diesen hochgradig spannenden und empfindsamen aber nicht ganz einfachen Mann an sich binden und ihm Geborgenheit vermitteln lernt? Mavie Hörbiger, sagt Michael Maertens ohne Zögern.

 

Was?, sage ich, diese wunderschöne Frau, diese Frau, die als eine der wenigen das Zeug zum internationalen Superstar hat, die von Gérard Depardieu, Katharina Thalbach, Christian Tramitz, Jürgen Prochnow bis zu Nina Hagen mit allen bedeutenden Kollegen durch sämtliche Genres hinweg die wesentlichen Rollen spielt?

 

Eben die, lacht Michael Maertens, meine Frau. Im Ernst, Mavie ist vor allem eine ganz tolle Schauspielerin. Und wenn einer dieser viel zu wenig beachteten Frau Storms Bedeutung verleihen kann, dann sie. Mavie und du, ihr habt geheiratet?, rufe ich aus, meinen Glückwunsch! Den Kopf gedankenschwanger – einmal angenommen – sitze ich im Zug von Hamburg nach Nordfriesland und fahre in den aufziehenden Husumer Novembernebel. In der Ferne höre ich noch immer Michael Maertens leise lachen.

 

Zu den Darstellern

 

Mavie Hörbiger gewann 2001 die Goldene Romy als beliebtester weiblicher Shootingstar. Spätestens seit 2005 wurde sie bekannt als Lilo Gabriel in der Erfolgsserie Arme Millionäre. 2006 wählten sie die Zuschauer im ZDF auf Platz 47 der 50 besten deutschen Schauspieler aller Zeiten. Sie ist damit die Jüngste, die es in diese Liste geschafft hat. Derzeit spielt Mavie am Schauspielhaus Basel.

 

Michael Maertens wurde in den letzten sechs Jahren fünfmal zum Schauspieler des Jahres nominiert. 2001 und 2005 gewann er diese Auszeichnung und trägt seit 2002 auch den Gertrud-Eysoldt-Ring für herausragende schauspielerische Leistungen. Er ist ein Reisender unter den Schauspielern und spielt derzeit parallel am Burgtheater Wien, am Schauspielhaus Zürich und am Berliner Ensemble.

 

Zum Regisseur

Christian Papke ist geboren in Basel, lebte aber v.a. in Brasilien und seit 2001 als Regisseur in Wien. Seit 2004 ist er auch Kurator eines internationalen Dramenwettbewerbs für Südosteuropa, seit 2007 Lehrbeauftragter und jüngstes P.E.N.- Clubmitglied und in dessen Vorstand. Derzeit inszeniert er in Bosnien-Herzegovina Thomas Bernhard.

 

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