Was der deutsche Kriegsfotograf Christoph Bangert im Februar 2015 in einem Interview in „Die Zeit“ zu Protokoll gab, würde wahrscheinlich auch Anthony Loyd bestätigen. Auch ihn zieht es seit fast dreißig Jahren immer wieder an die Krisenherde der Welt. Der Engländer hat mittlerweile zwei autobiografische Porträts über seine Erfahrungen vorgelegt, die ein schonungsloses Zeugnis nicht nur der Gräuel abgeben, die Menschen im Krieg in der Lage sind zu begehen, sondern die auch über die komplexen Motive berichten, die Unbeteiligte in solche Auseinandersetzungen treibt.
„My War Gone By, I Miss It So“ beschreibt nicht bloß die Normalität des Krieges, sondern auch den ganz persönlichen Krieg eines Menschen mit der Normalität, mit der Familie. Aus äußerst wohlhabenden Verhältnissen stammend und von einer bedrückenden Ahnenreihe männlich soldatischen Heldenmutes umzingelt, sucht der am Leben gelangweilte Eton-Abbrecher nach dem echten Kick, dient kurz in der Armee, bis er nach einem Foto-Crashkurs als Kriegsfotograf 1991 erstmals nach Sarajevo reist. Bis heute ist er von seinen ganz persönlichen „Kriegs-Geistern“ umgeben: von seinem Vater, der ihm kurz vor dessen Tod die Versöhnung verweigerte, dem charismatischen Killer „Darko“ oder der einzigen Überlebenden des Massakers von Stupni Do, einer streunenden Kuh. „Der Krieg ist wie der Konsum harter Drogen oder eine flatterhafte Geliebte, ein offensichtlich widersprüchlich aufblitzender Zwang, eine Qual und Ekstase, die dich wider besseres Wissen immer und immer wieder anzieht.“
Zum Autor
Anthony Loyd gehört zu den profiliertesten Kriegsjournalisten der Gegenwart. 1966 im englischen Guildford geboren, kam er über Umwege zu seinem Metier, das ihn seit 1991 in die größten Krisengebiete, von Bosnien über den Irak und Tschetschenien bis nach Syrien, brachte. Für seine Fotos und Reportagen wurde er unter anderem mit dem „British Press Award“ (1993) und dem „Amnesty International Award“ (2013) ausgezeichnet. 2014 wurde er in Syrien von Rebellen gekidnappt und schwer verwundet. Er arbeitet u. a. regelmäßig für das „New York Times Magazine“, den “Daily Telegraph“ und „The World Today“.
Die englische Regisseurin Lily Sykes, geboren 1984 in London, die zuletzt am Schauspiel Frankfurt, am Deutschen Theater in Berlin sowie am Schauspielhaus Zürich inszenierte, hat ein ganz besonderes Verhältnis zu diesem Thema: Ihre Mutter hat in den 90er Jahren für die BBC mehrere Dokumentationen über den Balkankrieg gedreht. Die Erlebnisse, die sie von dort mitbrachte, wurden zum festen Bestandteil des Familiengedächtnisses und fließen in Sykes’ Arbeit für das Schauspielhaus Graz mit ein.
Sie studierte Germanistik und Philosophie in Oxford und Paris. 2005 zeigte sie ihre erste Regiearbeit, Bertolt Brechts „Der kaukasische Kreidekreis“, im Oxford Playhouse. 2007 gründete sie mit Künstlern aus Japan, Deutschland, Österreich, England, den USA und Italien das Internationale Theatre Ensemble Aitherios, deren erste Produktion „The Fish is Open“ in Berlin, London, Cambridge und im Iran gezeigt wurde. Nach Assistenzen und eigenen Regiearbeiten am Schauspiel Frankfurt arbeitet sie seit 2012 als freie Regisseurin u. a. für das Deutsche Theater Berlin, das Schauspiel Frankfurt, das Schauspielhaus Zürich, das Theater Osnabrück und das Theater Oberhausen
Regie
Lily Sykes
Jelena Nagorni
Kostüme
Lena Schmid
Musik
Maren Kessler, David Schwarz
Dramaturgie
Jan Stephan Schmieding
Alex Lewis, Kriegsfotograf: Jan Brunhoeber Valerie, seine Mutter: Cornelia Kempers Natasha, seine Schwester: Henriette Blumenau Martha, Kriegsfotografin: Sarah Sophia Meyer Zimmermädchen: Silvana Veit ein Damenchor: Statisterie des Schauspielhaus Graz
weitere Vorstellungen am 30. und 31. Oktober, am 4., 11., 12., 17. und 24. November, jeweils 19.30 Uhr, sowie ab Dezember