Es entsteht ein wildes Roadmovie, ein multimediales Theaterspektakel frei nach der Novelle Der Auftrag – Vom Beobachten des Beobachters der Beobachter von Friedrich Dürrenmatt. Der Text von Dürrenmatt dient dabei als Grundmetapher einer Zeit, »in der der Mensch dem Staat und der Staat dem Menschen fremd geworden ist«.
Woher kommt dieses Gefühl, unsere Sicherheit und Kultur, wenn nicht gar unsere ganze Zivilisation, sei bedroht? Entspricht der rote Faden der andauernden Krisen unserer unmittelbaren Lebenswirklichkeit, ist er empfunden, Realität oder journalistisch herbeigezaubert? Sind die Algorithmen der Netzwerke ein Echo unserer Erlebniswünsche? Steuern wir unsere sozialen Cluster oder werden wir manipuliert?
Kästner begibt sich in die Untiefen des Populismus, in einen Bereich der Gesellschaft, der sich selbst als unterdrückte, nach Wahrheit suchende Mitte empfindet. Zwischen AfD, PEGIDA, den Identitären,
Reichsbürgern, Entrüsteten und Besorgten taucht er bei seinen Recherchen ein, in eine gar nicht so weit hergeholte Wahrnehmung. Die globalisierte, überfremdete, von Politikern, Medien und Wirtschaftskonglomeraten dominierte Wirklichkeit wird zum Feindbild einer neuen
Bürgerrechtsbewegung, die nach »Alternativen« sucht und diese findet. Im Netz wird jedes Gerücht unabhängig vom Wahrheitswert multipliziert.
Es ist von den Fakten nicht mehr einzuholen und geht als empfundene Realität ins soziale Gedächtnis über. Jedes Gerücht, jedes neu zusammengesetzte Bild geht eine unheilige Allianz mit dem
Verschwörungsschauer des Bürgers ein und bildet die Textur der Echoräume, die jeden in seinem Weltbild bespiegeln.
Der Abend beginnt als Dokumentarfilm ehe er als bespielter Echoraum nach und nach das wirkliche Bürgerkriegsdeutschland vorführt, das längst Teil eines sich selbst balkanisierenden Europas geworden ist. Doch Rettung naht, es gibt eine neue Bürgerrechtsbewegung und sie wird die Wahrheit ans Licht bringen.
Konrad Kästner knüpft mit dieser Arbeit an seinen preisgekrönten Dokumentarfilm Kathedralen an, der ihn in die Innere Mongolei verschlug. War die dort vorgefundene menschenleere, aber voll
funktionsfähige Stadt Ordos noch ein bizarres Beispiel für das Verhältnis von Schein und Sein eines überhitzten Immobilienmarkts, so beschäftigt ihn nun die Wechselwirkung zwischen Medien und dem
Objekt der Berichterstattung. Bei seiner Recherche geht er den Spuren nach, die von den karstigen Landschaften des Ostens quer durch Deutschland bis ins Herz Nordrhein-Westfalens führen, das
überraschenderweise hier, in Bielefeld, im TAMZWEI, zu schlagen scheint. Ein Abend über den Menschen im Zeitalter der Beobachtung.
INSZENIERUNG UND STÜCKENTWICKLUNG
Konrad Kästner wurde 1984 in Leipzig geboren und war nach seinem Abitur zunächst als Regiehospitant am Schauspiel Leipzig, anschließend mehrere Jahre in Südafrika als Regieassistent und
Researcher für Werbe- und Dokumentarfilme tätig. Zudem hat er dort bereits eigene Filmprojekte verwirklicht. Von 2005 – 2011 studierte er Regie an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam. Bereits während seines Studiums drehte er mehrere preisgekrönte Kurz- und Dokumentarfilme wie ETWAS ich, Japaaan! und giftchen, mit denen er zu zahlreichen nationalen und internationalen Festivals eingeladen wurde. Sein aktueller Dokumentarfilm Kathedralen wurde unter anderem mit dem Max Bresele-Preis für politisch relevanten Film ausgezeichnet und hat sich für den Academy Award 2015 qualifiziert. Des Weiteren arbeitet er regelmäßig als freier Videokünstler für Theaterproduktionen des Hans Otto Theaters Potsdam, des Theaters Bielefeld und der Kammerspiele des Deutschen Theaters Berlin.
Inszenierung und Stückentwicklung
Konrad Kästner
Bühne und Kostüme
Mareen Biermann
Dramaturgie
Dariusch Yazdkhasti
Mit
Georg Böhm // Florian Denk
Die nächsten Vorstellungen
01.12., 08.12.
Karten
0521 / 51 54 54
www.theater-bielefeld.de