Dabei sind die Schnittmengen äußerst gering, abgesehen von 90-95 Prozent Überschneidung im Bereich der genetischen Codierung. Warum beherrschen die Tiere so weit reichend unsere Sprache? Warum umgeben wir uns mit vermeintlich bewusstseinslosen Geschöpfen, sprechen sie an und empfinden sie als Gesellschafter? Der Schriftsteller Elias Canetti findet folgende Antwort: „Tiere sagst du. Was meinst du? Du meinst alles Lebendige, das du liebst, weil du es nicht verstehst.“ Genau hier scheint der Hund begraben. Der Mensch kann das Tier nicht betrachten, ohne es auf sich zu beziehen. Er spricht von den Tieren und meint immer nur die Leerstellen seiner eigenen Lebenswirklichkeit. Wir blicken den Tieren in die Augen, sind erschüttert, dass uns das, was wir da erblicken, ein einziges Rätsel ist, und wenden uns ab.
Was aber, wenn wir es wagen würden, dem Blick der Tiere standzuhalten? Nicht, um sie zu bezwingen, sondern um den unüberbrückbaren Abstand zwischen Mensch und Tier zu feiern oder leidenschaftlich an dieser Differenz zu verzweifeln. Diesem Versuch gilt die ganze Aufmerksamkeit der Regisseurin und Bühnenbildnerin Anna Viebrock. In ihrer ersten Arbeit am Schauspiel Köln lädt sie den Schauspieler Josef Ostendorf und weitere Kollegen des Ensembles ein, sich den Blicken der Tiere zu stellen und ihrerseits zu blicken.
Anna Viebrock, geboren 1951 in Köln, studiert an der Kunstakademie Düsseldorf und beginnt ihre Theaterarbeit mit Hans Neuenfels in Frankfurt. Seit 1983 arbeitet sie mit Jossi Wieler und seit 1993 regelmäßig mit Christoph Marthaler u.a. in Berlin, Hamburg, Basel, Paris, Salzburg und Bayreuth, immer in Oper und Schauspiel. Von 2000 bis 2004 ist sie im Leitungsteam des Schauspielhaus Zürich. Für ihre Arbeiten erhält sie zahlreiche Preise. Eigene Inszenierungen folgen, u.a. am Schauspielhaus Zürich, HAU Berlin, Theater Basel, Opéra National de Paris, Münchener Biennale und Staatsoper Hannover – häufig in Zusammenarbeit mit dem Komponisten Johannes Harneit und dem Dramaturgen Malte Ubenauf.
Malte Ubenauf, geboren 1973 in Hamburg, arbeitet als Dramaturg und Regisseur. Seine Inszenierungen sind u.a. am Schauspielhaus Zürich, an den Theatern von Aachen und Meinigen, auf Kampnagel in Hamburg, sowie bei Festivals in Berlin, Dresden, Gießen und Basel zu sehen. Als Dramaturg war Ubenauf am Schauspielhaus Zürich und der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz Berlin engagiert. Seit 2004 ist er vorwiegend als freiberuflicher Schauspiel- und Musiktheaterdramaturg tätig und arbeitet regelmäßig mit Anna Viebrock, Christiane Pohle und Christoph Marthaler zusammen.
Es spielen Josef Ostendorf, Ernst Surberg, Thomas Wittmann u.a.
Regie, Bühne und Kostüme Anna Viebrock, Choreografie Altea Garrido Video Till Exit Licht Johan Delaere Dramaturgie Malte Ubenauf, Götz Leineweber