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"Aus einem Totenhaus" von Leoš Janáček - Bayerische Staatsoper München

Premiere Montag, 21. Mai 2018, 18.00 Uhr, Nationaltheater

„Totenhaus“ – so wird das sibirische Strafgefangenenlager von denen genannt, die hier eingesperrt sind: Diebe, Totschläger, Mörder, politische Gefangene. Dieser Ort der Überwachung und Bestrafung mit seinen ganz eigenen Regeln von Macht und Unterwerfung, seinen Rangordnungen und den Schikanen der Bewacher liegt fernab der zivilisierten Gesellschaft, ist zugleich ihr blinder Fleck und ihr Spiegel.

 

 

Basierend auf Fjodor Dostojewskis Roman Aufzeichnungen aus einem Totenhaus, in dem dieser seine eigene vierjährige Lagerhaft literarisch verarbeitete, schuf Leoš Janáček ein singuläres Werk des Musiktheaters: eine Oper ohne Helden, ohne eine auf Konflikte und Lösung setzende Handlung. Vor dem Hintergrund des immergleichen, zermürbenden Lageralltags lässt er einzelne Gefangene und ihre Lebensgeschichten für Augenblicke aus der Menge hervortreten, wirft Schlaglichter auf von Erniedrigungen und Beleidigungen gezeichnete Biographien. Janáčeks einzigartiges, dem menschlichen Sprechen abgelauschtes musikalisches Idiom findet einen ungeschönten gestischen Ausdruck für die im Lager herrschende Brutalität, aber auch für die Momente von geteilter Hoffnung auf Freiheit, von Mitgefühl und Solidarität.

Nach seiner Münchner Erstaufführung in deutscher Sprache 1976 kommt Aus einem Totenhaus erstmals in der Originalsprache an die Bayerische Staatsoper. Die Produktion greift hierbei auf die gerade erschienene kritische Neuausgabe von John Tyrell zurück, die das Stück auf die Originalfassung von Leoš Janáček mit ihrer bisweilen überraschend kammermusikalischen Orchestrierung zurückführt. „Es ist ein sehr düsteres Werk. Tragisch, tragikomisch, politisch“, so die Dirigentin Simone Young. „Es gibt keinen richtigen Handlungsstrang. Die Hauptcharaktere erzählen von ihren Erfahrungen. Insofern ist es ganz anders als seine übrigen Opern, die mehr mit dem Thema Liebe zu tun haben. Ich freue mich sehr, dass wir hier mit der neuesten wissenschaftlichen Edition des Werks arbeiten können.“ Leoš Janáček schuf mit seiner letzten Oper ein singuläres Werk des Musiktheaters: eine Oper ohne Helden. Vor dem Hintergrund des stets gleichbleibenden Lageralltags lässt er für wenige Momente einzelne Gefangene aus der Menge hervortreten, um ihre Lebensgeschichte zu erzählen, und zeigt so die unverwechselbare Identität eines jeden Einzelnen auf. Als Grundlage für seine Oper diente dem Komponisten dabei Fjodor Dostojewskis Werk Aufzeichnungen aus einem Totenhaus, in dem dieser seinen Aufenthalt in einem sibirischen Strafgefangenenlager rückblickend literarisch festgehalten hat.
 
Die Oper wird inszeniert von Frank Castorf. Auf ihn üben die Werke von Fjodor Dostojewski eine anhaltende Faszinationskraft aus, er hat in den letzten zwei Jahrzehnten fast alle großen Romane des Autors auf die Bühne gebracht. In seinen Inszenierungen zieht er Verbindungen zwischen der eigentlichen Epoche des Werks, späteren historischen Ereignissen und der Gegenwart. Diese für ihn typische Überlagerung der historischen Schichten wird auch seine Produktion von Aus einem Totenhaus an der Bayerischen Staatsoper auszeichnen – wie schon beim Bayreuther Ring in Zusammenarbeit mit dem Bühnenbildner Aleksandar Denić. So werden die Erfahrungen von Fjodor Dostojewskis eigenem Aufenthalt im zaristischen Strafgefangenenlager im 19. Jahrhundert mit der Realität der Lager des 20. Jahrhunderts verknüpft zu einem totentanzartigen Albtraum, in dem die wenigen verzerrt komischen Momente kleine Lichtblicke für die Gefangenen darstellen. Mit den Sängerinnen und Sängern sucht Castorf nach möglichst konkreten Umsetzungen der extremen physischen Lagerwirklichkeit und will beim Zuschauer den Eindruck erwecken, Beobachter inmitten der Realität des Lagers zu sein

Musikalische Leitung
    Simone Young
Inszenierung
    Frank Castorf
Bühne
    Aleksandar Denić
Kostüme
    Adriana Braga-Peretzki
Licht
    Rainer Casper
Video
    Andreas Deinert, Jens Crull
Dramaturgie
    Miron Hakenbeck
Chor
    Sören Eckhoff

Aleksandr Petrovič Gorjančikov
    Peter Rose
Aljeja, ein junger Tartar
    Evgeniya Sotnikova
Luka (Filka Morozov, im Gefängnis unter dem Namen Luka Kuzmič)
    Aleš Briscein
Skuratov
    Charles Workman
Šiškov
    Bo Skovhus
Großer Sträfling / Sträfling mit dem Adler
    Manuel Günther
Kleiner Sträfling / Verbitterter Sträfling
    Tim Kuypers
Platzkommandant
    Christian Rieger
Der alte Sträfling
    Ulrich Reß
Čekunov
    Johannes Kammler
Betrunkener Sträfling
    Galeano Salas
Koch (Sträfling)
    Boris Prýgl
Schmied (Sträfling)
    Alexander Milev
Pope
    Peter Lobert
Dirne
    Niamh O’Sullivan
Don Juan (Brahmane)
    Callum Thorpe
Kedril / Schauspieler / Junger Sträfling
    Matthew Grills
Šapkin / Fröhlicher Sträfling
    Kevin Conners
Čerevin / Stimme aus der kirgisischen Steppe
    Dean Power
1. Wache
    Long Long

Bayerisches Staatsorchester
    Chor der Bayerischen Staatsoper

Aus einem Totenhaus in den Mdien
    STAATSOPER.TV
    Die zweite Vorstellung von Aus einem Totenhaus wird kostenlos als Live-Stream via STAATSOPER.TV übertragen.
 Aus einem Totenhaus
Sa, 26. Mai 2018, 19.00 Uhr
STAATSOPER.TV
 
BR-KlASSIK
Die Premiere am Montag, den 21. Mai 2018 um 18 Uhr, wird live auf BR-Klassik übertragen.
30 Minuten vor Vorstellungsbeginn live aus dem Foyer des Nationaltheaters: Foyer, die Sendung zur Neuproduktion mit Gesprächen und Reportagen.
Liveübertragung

 

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