Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
Seid fruchtbar und mehret euchSeid fruchtbar und mehret euchSeid fruchtbar und...

Seid fruchtbar und mehret euch

"Yerma" von Federico Garcia Lorca am Düsseldorfer Schauspielhaus

Lebewesen müssen sich vermehren. Auf dieses Naturgesetz stützen sich von jeher alle Religionen und Staaten. Besonders das weibliche Geschlecht wird an seiner Gebährfähigkeit gemessen. Eine kinderlose Frau sieht sich der versteckten oder offenen Geringschätzung durch ihre Umwelt ausgesetzt. So war es jedenfalls in früherer Zeit. Lorca beschrieb 1934 in seinem Stück 'Yerma' das Elend einer jungverheirateten Frau, die nicht schwanger wird, und das im strengkatholischen Spanien, wo weibliche Unfruchtbarkeit eine gesellschaftliche Katastrophe bedeutete.

 

Wie sieht die Situation heute aus? Seit der Entstehung von Lorcas Drama hat sich die Zahl der Menschen auf der Welt verdoppelt Man spricht von Überbevölkerung und scheitert trotz modernster Möglichkeiten kläglich an der Ernährung der Massen, besonders in den Entwicklungsländern. Gleichzeitig sind in den hochentwickelten Industriestaaten die Frauen selbstbewußt geworden und lassen sich nicht mehr auf die Mutterrolle festlegen. In Nordwesteuropa herrscht notorischer Geburtenrückgang, der unsere Gesellschaften überaltern läßt und uns mit Sorge wegen des allzu spärlichen Nachwuchses erfüllt.

 

Wer in diesem widersprüchlichen Klima die wunderbar dichterische, archaische Tragödie von Yermas Kinderlosigkeit inszeniert, muß einen besonders eindrücklichen Weg finden, um sie dem hiesigen Publikum zu erschließen.

Thomas Bischoff als Regisseur und Ute Kala als Bühnenbildnerin setzten auf die zeitlose Symbolkraft des Textes und auf eine getragene, strenge Form. Jede spontane Regung wurde von der Bühne verbannt. Es geht nicht um Einzelschicksale, sondern um prototypische Vorgänge in einer erbarmungslosen Welt.. Blutrote bewegliche Wände vor schwarzem Grund umrahmen die abgezehrten, schwarz- oder weißgekleideten Spielerinnen und Spieler, die seltsam auswechselbar und gleichzeitig beispielhaft wirken.

 

So wird in starken Sinn-Bildern, mit der magischen Sprache und mit schöner Begleitmusik eine Grundproblematik der Menschheit zelebriert. Die Aufführung ist von hoher Qualität, ich konnte mich dem Sog dieser bis ins Letzte ausgeklügelten Inszenierungskonzeption nicht entziehen.

 

Das Premierenpublikum spendete den Schauspielern großen Applaus, dem Regisseur Bravos und Buhs in gleichwertiger Verteilung.

 

Premiere 14. Oktober 2000

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 11 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

Großstadtklänge --- „Surrogate Cities“ von Demis Volpi in der deutschen Oper am Rhein

Auf der leeren Bühne finden sich nach und nach das Orchester, die Tänzer und Tänzerinnen ein. Die Solo Posaune setzt ein und der Zuschauer wird in den Trubel der Straßen einer Großstadt versetzt. Zum…

Von: von Dagmar Kurtz

RÄTSEL UM ERLÖSUNG --- Wiederaufnahme von Richard Wagners "Götterdämmerung" in der Staatsoper STUTTGART

Die verdorrte Weltesche spielt bei Marco Stormans Inszenierung der "Götterdämmerung" von Richard Wagner eine große Rolle. Gleich zu Beginn zerfällt die Wahrheit in seltsame Visionen, der Blick der…

Von: ALEXANDER WALTHER

NICHT AUF DEN LITURGISCHEN BEREICH BESCHRÄNKT --- Bruckners e-Moll-Messe und Motetten bei BR Klassik

Anders als die frühe d-Moll-Messe blieb die 1866 in Linz komponierte e-Moll-Messe nicht auf den liturgischen Bereich beschränkt. Die alten Kirchentonarten stehen bei der Messe in e-Moll von Anton…

Von: ALEXANDER WALTHER

GLUT UND FEUER -- Jubiläumskonzert 40 Jahre Kammersinfonie im Kronenzentrum BIETIGHEIM-BISSINGEN

1984 wurde dieser für die Region so bedeutende Klangkörper von Peter Wallinger gegründet. Unter der inspirierenden Leitung von Peter Wallinger (der unter anderem bei Sergiu Celibidache studierte)…

Von: ALEXANDER WALTHER

EINE FAST HYPNOTISCHE STIMMUNG -- Gastspiel "Familie" von Milo Rau mit dem NT Gent im Schauspielhaus STUTTGART

Dieses Stück erzielte bei Kritikern zum einen große Zustimmung, zum anderen schroffe Ablehnung. Vor allem die nihilistischen Tendenzen wurden getadelt. Der Schweizer Milo Rau hat hier das beklemmende…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑