Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
VERWIRRUNGEN BEI DER FIRMENFEIER - "Nicht mein Feuer" im Kammertheater STUTTGART (Schauspiel Stuttgart)VERWIRRUNGEN BEI DER FIRMENFEIER - "Nicht mein Feuer" im Kammertheater...VERWIRRUNGEN BEI DER...

VERWIRRUNGEN BEI DER FIRMENFEIER - "Nicht mein Feuer" im Kammertheater STUTTGART (Schauspiel Stuttgart)

am 14. Mai 2023

Dies ist zweifellos eine Paraderolle für Peer Oscar Musinowski als talentierter Entertainer, der vergeblich auf seinen Auftraggeber Stefan wartet. Denn dessen 55. Geburtstag soll für alle ein großartiges Fest werden. Zahlreiche Gäste sind erschienen, teure Autos parken vor dem Haus, es gibt auch eine volle Bar und einen vollen Geschenktisch. Wenn der Entertainer in Gestalt von Peer Oscar Musinowski für brennende Dancefloors sorgt, dann möchten auch die pubertierenden Zwillingstöchter dabei sein.

 

Copyright: Björn Klein

Bei Hochzeiten, Firmenfeiern, Einschulungen und Vereinspartys sorgt er für die richtige Stimmung. Er ist als langjähriger Freund des Hauses hier für alle Überraschungen zuständig.  Es soll etwas Besonderes werden, meint Stefan, der erfolgreiche Unternehmer. Dann aber taucht er als Gastgeber gar nicht auf und  bringt den um Fassung ringenden Entertainer in eine arge Verlegenheit. Für den Master of Ceremony kommt jetzt die Stunde der Wahrheit, die Peer Oscar Musinowski als Schauspieler virtuos und gewitzt nutzt.

In der Inszenierung von Franziska Berlitz (Bühne: Jennifer Jünger; Kostüme: Stefanie Schulz) wird auch die Showbranche heftig aufs Korn genommen. Feurige Partys und heiße Shows werden bei diesem witzigen Text der Gegenwartsdramatikerin Laura Naumann in brillanter Weise abgebrannt, dazu passt auch die Musik von Maurice Strobel. Im Angesicht der verheerenden Weltlage echauffiert sich der gefrustete Entertainer über seinen Gastgeber: "So ein frecher Kerl, der Stefan!"  Er stellt fest, dass das alles nicht "sein Feuer" ist. Plötzlich gibt es sogar einen Stromausfall, der einen entscheidenden Verlauf für die weitere Handlung hat.

Nachdem er "99 Luftballons" von Nena als Keyboard-Sänger intoniert hat, stellt der Entertainer nach dem Abiball fest, dass Stefan offensichtlich gar nicht mehr lebt und in einem Sarg von Christian Dior liegt. "Stefan war ein Sturkopf" stellt der Entertainer fest. Und fragt dann ratlos: "Was bedeutet sein Tod für uns?" Da bekommt die Handlung dann einen makaberen Beigeschmack: "Er wurde aus unserer Mitte gerissen." Nachdem er Spaßbomben gezündet und bizarre Witze gerissen hat ("die Ziege hat keinen Bock") scheint Stefan aber wieder aufzutauchen und den Entertainer zu jagen, der sich die Schuld an Stefans Tod gegeben hat.  

Nach einer wilden Verfolgungsjagd ("Hab' ich die Polizei gerufen?") kommt der Entertainer schließlich im Lichtkegel auf der oberen Empore endlich zur Ruhe. Zuvor schon hatte er die Bar geöffnet und eine Schampus-Flasche geköpft. "Ich liebe das Leben!" verkündet  Peer Oscar Musinowski als Entertainer zuletzt nachdenklich. "Ich hab 'ne Vision", meint er dann weiter. Alternativlose Dinge solle man hinterfragen. Zwischen der Glamour-Fassade kommt bei diesem hintersinnigen Stück eine andere Welt zum Vorschein, die die Zeit hinter sich lässt. Man muss wohl auch auf manches verzichten. Stürmischer Schlussapplaus.  
 

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 14 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

EINE FAST HYPNOTISCHE STIMMUNG -- Gastspiel "Familie" von Milo Rau mit dem NT Gent im Schauspielhaus STUTTGART

Dieses Stück erzielte bei Kritikern zum einen große Zustimmung, zum anderen schroffe Ablehnung. Vor allem die nihilistischen Tendenzen wurden getadelt. Der Schweizer Milo Rau hat hier das beklemmende…

Von: ALEXANDER WALTHER

MIT LEIDENSCHAFTLICHEM ÜBERSCHWANG -- Richard Wagners "Walküre" mit dem Rotterdam Philharmonic Orchestra konzertant im Festspielhaus/BADEN-BADEN

Wagner hatte die Komposition der "Walküre" im Sommer 1854 begonnen, noch vor der Vollendung der "Rheingold"-Partitur. Der Dirigent Yannick Nezet-Seguin begreift mit dem vorzüglich disponierten…

Von: ALEXANDER WALTHER

AUFSTAND DER UNTERDRÜCKTEN -- "Farm der Tiere von George Orwell im Schauspielhaus Stuttgart

"Kein Tier in England ist frei!" So lautet das seltsame Motto von George Orwells "Farm der Tiere", die wie "1984" auch irgendwie eine seltsame Zukunftsvision ist. Die Tiere wie Hunde, Hühner, Schafe…

Von: ALEXANDER WALTHER

VERWIRRUNG BIS ZUM SCHLUSS -- "Es war einmal ein Mord" von Giovanni Gagliano im Theater Atelier Stuttgart

Eine geschickt verwobene und raffinierte Handlung präsentiert Vladislav Grakovski in seiner Inszenierung des Kriminalstücks "Es war einmal ein Mord" von Giovanni Gagliano. Spannung, Humor und…

Von: ALEXANDER WALTHER

BERÜHRENDE MOMENTE -- "Spatz und Engel" mit dem Tournee-Theater Thespiskarren (Produktion Fritz Remond Theater im Zoo, Frankfurt) im Kronenzentrum BIETIGHEIM-BISSINGEN

Edith Piaf und Marlene Dietrich stehen hier im Schauspiel mit Musik von Daniel Große Boymann und Thomas Kahry als zwei Göttinnen des Chansons im Mittelpunkt des Geschehens. Und es ist gar nicht so…

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑