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ZUM HIMMEL HIN GEÖFFNET - "Tristan und Isolde" bei den Bayreuther Festspielen

am 13.8.2023/BAYREUTH

Roland Schwab inszeniert Wagners "Tristan und Isolde" bei den Bayreuther Festspielen. Für ihn hat Richard Wagners Oper "Tristan und Isolde" tatsächlich viele Metamorphosen erlebt. Und es gelingt ihm weitgehend überzeugend, seelische Prozesse szenisch greifbar werden zu lassen. Es ist für ihn auch ein signifikantes Loslassen von der Welt.

 

Copyright: Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath

Im Bühnenbild von Piero Vinciguerra und den Kostümen von Gabriele Rupprecht wird diese zelebrierte Weltflucht deutlich sichtbar. Eine halbrunde und nach oben hin offene Szenerie zeigt einen Himmel, grüne Pflanzen und ein geheimnisvolles Rondell, in dem zunächst ein blauer See zu sehen ist, der sich allmählich blutrot färbt. Die Tragik kommender Ereignisse wird also vorweggenommen. Klar wird hier auch, dass Isoldes Ehe mit König Marke nur ein politisches Bündnis ist. Es soll damit Frieden zwischen zwei verfeindeten Ländern gestiftet werden, wogegen sich Tristan und Isolde als trotziges Liebespaar stellen. Angesichts dieser Konstellation kommt bei der Inszenierung Spannung auf.  

Das Verständnis von König Marke als betrogenem Ehemann hält sich hier deutlich in Grenzen. Klar wird auch, dass Richard Wagner sich natürlich selbst porträtiert hat. Und das Rondell scheint im weiteren Verlauf der Handlung seelische Prozesse geradezu zu zelebrieren. Wie mit tausend Nervenfasern zerteilt sich die szenische Oberfläche in tausend Einzelteile (Video: Luis August Krawen). Zu einer wirklichen politischen Zuspitzung lässt es Roland Schwab bei dieser durchaus subtilen Inszenierung auch gar nicht kommen. Die verschlungene Handlung wird dabei jedoch offengelegt. Und die Grenzen zwischen Innen und Außen gehen fließend ineinander über.

Es ist ein Übergang vom Realismus zur Transzendenz - vor allem im zweiten Aufzug, wo das gesamte Universum geradezu zu flimmern scheint. Klar wird dabei auch, wie stark der zweite Aufzug mit der Entdeckung des Liebespaares durch König Marke im Gegensatz zum ersten steht. Es gibt hier kein Kareol und auch kein Schiff. Einzig die sesselartigen Lehnstühle  wirken oftmals etwas verstörend, stellen einen Bruch innerhalb der szenischen Handlung dar. Und auch der aufsteigende Charakter des Liebesduetts "O sink hernieder, Nacht der Liebe!" kommt nicht zu kurz. Tristan und Isolde gehen hier sehr deutlich an sich selbst zugrunde, nicht an der Gesellschaft. Schwab konzentriert sich als Regisseur deshalb auf das Wesentliche. Die tödliche Verwundung Tristans durch König Markes Gefolgsmann Melot wird szenisch nicht offen sichtbar, Tristan krümmt sich nur zitternd zusammen. Dennoch erlebt man als Zuschauer gebannt die ganze Grausamkeit dieses Geschehens hautnah mit.

Packend gelöst ist außerdem Tristans endloses Warten auf Isolde im dritten Aufzug. Die Lust am Untergang wird dabei nicht beschönigt, sondern drastisch herausgestellt. Die Protagonisten sind vom Unerreichbaren fasziniert. Dabei kommen aber auch die ekstatischen Momente bei Wagner zum Vorschein - insbesondere bei Isoldes verklärt dargestelltem Liebestod. Roland Schwab beruft sich hier laut eigenen Worten auf sein szenisches Vorbild Federico Fellini. Die Träume sind hier nämlich genauso wirklich wie das reale Leben.

Auch musikalisch kann diese eher poetische Inszenierung überzeugen. Markus Poschner gelingt es als umsichtigem Dirigent des Bayreuther Festspielorchesters, den romantischen Unendlichkeitsdrang Wagners plastisch herauszuarbeiten. Dies gilt auch für die suggestiv gestalteten dynamischen Kontraste. Erweiterte Harmonik und die einfühlsam gestaltete Chromatik bei den vier Halbtonschritten des Liebesmotivs machen deutlich, wie sich hier eine musikalische Blüte magisch und zauberhaft entwickelt. Das kommt vor allem den Sängerinnen und Sängern immer wieder zugute. Catherine Foster kann der Isolde bei den Gegensätzen der Ab- und Aufwärtsbewegung etwas Leidenschaftliches verleihen, dadurch wird die Schilderung der Seelenregungen glaubwürdig. In der Bratsche vibriert die kurze Phrase des Gruß-Motivs sehr charakteristisch. Überhaupt verdeutlichen die einzelnen Instrumente die Hintergründe der Handlung mit starker Ausdruckskraft.

Und auch Clay Hilley als Tristan gelingt es, das Liebessehnen stimmlich weitgehend glaubwürdig zu verdeutlichen, auch wenn seine Stimme manchmal angestrengt klingt. Als Tristan unterstreicht er, dass er die ihn umgebende Wirklichkeit nicht mehr zu fassen vermag. Geheimnisvolle Akkorde unterstreichen das Schmerzens-Motiv in bemerkenswerter Weise. Grellste Dissonanzen begleiten hier die Motive. Die Umkehrung des Lichtmotivs gewinnt dabei eine fast sphärenhafte Intensität, die sich immer mehr steigert. Christa Mayer fügt sich als Brangäne in diesen Taumel der Gefühle ebenfalls eindrucksvoll ein, während Markus Eiche als Kurwenal dem unruhigen Harmoniengewoge bei dessen Erzählung in markanter Weise Einhalt gebietet.

Vor allem die Hauptmotive im dritten Aufzug gewinnen bei dieser Aufführung ein sehr plastisches und deutliches Profil. Dem Verhängnis-Motiv schließt sich das Beseligungs-Motiv b, das der Todessehnsucht, der Entzückung und der Ungeduld atemlos an, wobei Markus Poschner als Dirigent den Sängern immer genügend Freiraum lässt  und ihnen dadurch nicht den Atem nimmt. In weiteren Rollen gefallen ferner Olafur Sigurdarson als robuster Melot, Georg Zeppenfeld als erschütterter König Marke sowie Jorge Rodriguez-Norton als Hirte, Raimund Nolte als Steuermann und Siyabonga Maqungo als junger Seemann. Neben dem Festspielorchester agiert auch der von Eberhard Friedrich sorgfältig einstudierte Festspielchor mit überwältigender Präsenz. Ovationen und Jubel für die Sänger und das gesamte Ensemble.
 

 

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