Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
"Der Untertan" von Heinrich Mann - Maxim Gorki Theater Berlin"Der Untertan" von Heinrich Mann - Maxim Gorki Theater Berlin"Der Untertan" von...

"Der Untertan" von Heinrich Mann - Maxim Gorki Theater Berlin

Premiere 15. Dezember 2023, 19:30, Bühne

Das Berliner Stadtschloss steht wieder! 1950 ließ die Führung der DDR es als »Relikt der Monarchie« sprengen, nachdem es 1945 bei einem Bombenangriff fast vollkommen zerstört wurde und errichtete dort den Palast der Republik. Jetzt ist es wieder da. Die »Denkmalomanie« die die deutsche Kaiserzeit durchzog und vor keinem Ort, keinem Platz, keiner Stadt Halt machte, – jeder wollte ein Kaiser-Denkmal haben, findet damit ihren krönenden Abschluss in der Gegenwart.

 

 

Copyright: Esra Rotthoff

Nachdem Wilhelm der II. den Thron bestiegen hatte, wählte er 1888 das Schloss zu seinem Wohnsitz. Sein größter und treuster Follower? Neben den heutigen privaten Geldgebern aus der rechten Szene, Diederich Heßling, der Protagonist von Heinrich Manns 1918 veröffentlichtem Roman Der Untertan. Die Adaptions- und Rezeptionsgeschichte des Romans ist lang. Nicht nur, dass die Veröffentlichung des Romans am Vorabend des 1. Weltkrieges gestoppt wurde und der Roman 1933 namentlich genannt dem Feuer der Nationalsozialisten auf dem heutigen Berliner Bebelplatz übergeben wurde, auch Wolfgang Staudtes DEFA-Verfilmung von 1951 musste »im rauen Wind des Kalten Kriegs mit der west-deutschen Zensur kämpfen.«

Ist der Roman explizit eine Mentalitätsgeschichte des Kaiserreichs, eine »Geschichte der öffentlichen Seele unter Wilhelm II«, gingen die Intentionen des Filmes noch weiter. Regisseur Staudte interessierte sich nach dem Ende des 2. Weltkriegs zwar auch für den kaisertreuen Diederich Heßling, aber vielmehr noch für den psychologischen Ursprung des Faschismus. Als eine übergreifende Metapher dieser Zeit, dient in Heinrich Manns Roman die Figur des Schauspielers. »Und da es in Wirklichkeit und im Gesetz weder den Herrn noch den Untertan gibt, erhält das öffentliche Leben einen Anstrich schlechten Komödiantentums«. Neben dem Verweis auf die konstruierte Ebene von Macht, für deren Inszenierung der Kaiser bekannt war, schaut Heinrich Mann auch kritisch auf seine eigene Rolle als Künstler, als »Weiser und Narr«, der »ein Wissender ist, aber zugleich zu schwach ist, sein Wissen gesellschaftlich fruchtbar zu machen.« Ein kalter Wind weht über den Theaterplatz in Netzig, bevor Diederich Heßling mit seiner Frau eine Wagner-Oper besucht.

Regisseur Christian Weise, bestens vertraut mit dem Schwindel des Theaters und seinem Komödiantentum inszeniert Der Untertan als Moritat, als Erzähllied eines Bänkelsängers und seiner Truppe, die früher oft auf Straßen, Plätzen oder Jahrmärkten aufgetreten sind. Seit den 1930-Jahren ist diese Form zunehmend in Vergessenheit geraten – Let’s bring it back!

Regie
Christian Weise
Bühne
Julia Oschatz
Kostüme
Josa Marx , Lane Schäfer
Musik
Jens Dohle, Falk Effenberger
Lichtdesign
Ernst Schießl
Dramaturgie
Valerie Göhring

Mit Tim Freudensprung, Via Jikeli, Marta Kizyma, Catherine Stoyan & Till Wonka

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 13 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

AUFSTAND DER UNTERDRÜCKTEN -- "Farm der Tiere von George Orwell im Schauspielhaus Stuttgart

"Kein Tier in England ist frei!" So lautet das seltsame Motto von George Orwells "Farm der Tiere", die wie "1984" auch irgendwie eine seltsame Zukunftsvision ist. Die Tiere wie Hunde, Hühner, Schafe…

Von: ALEXANDER WALTHER

VERWIRRUNG BIS ZUM SCHLUSS -- "Es war einmal ein Mord" von Giovanni Gagliano im Theater Atelier Stuttgart

Eine geschickt verwobene und raffinierte Handlung präsentiert Vladislav Grakovski in seiner Inszenierung des Kriminalstücks "Es war einmal ein Mord" von Giovanni Gagliano. Spannung, Humor und…

Von: ALEXANDER WALTHER

BERÜHRENDE MOMENTE -- "Spatz und Engel" mit dem Tournee-Theater Thespiskarren (Produktion Fritz Remond Theater im Zoo, Frankfurt) im Kronenzentrum BIETIGHEIM-BISSINGEN

Edith Piaf und Marlene Dietrich stehen hier im Schauspiel mit Musik von Daniel Große Boymann und Thomas Kahry als zwei Göttinnen des Chansons im Mittelpunkt des Geschehens. Und es ist gar nicht so…

EIN ÜBERZEUGTER HUMANIST -- 5. Sinfoniekonzert des Staatsorchesters Stuttgart in der Liederhalle Stuttgart

Das Stück "Felder...im Vorübergehen" für Streichorchester aus den Jahren 1993/94 von Bernhard Lang ist nicht so spektakulär wie seine Oper "Dora", besitzt aber durchaus charakteristische…

Von: ALEXANDER WALTHER

EIN BEWEGENDER FEUERREITER -- Liedmatinee - Verleihung der Hugo-Wolf-Medaille in der Staatsoper Stuttgart

Die New York Times bezeichnete das Liedduo Christian Gerhaher (Bariton) und Gerold Huber (Klavier) als "größte Liedpartnerschaft der Welt". Dies betonte Kammersängerin Christiane Iven in ihrer…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑