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»Mutter Courage und ihre Kinder« - Staatstheater Augsburg eröffnet Brechtfestival

Premiere Fr 23.2.2024 19:3, martini-Park

In David Ortmanns Neu-Inszenierung des ikonischen Brecht-Klassikers wird die überzeitliche Aktualität des Stoffs im Angesicht eines neuen Krieges in Europa erschreckend bewusst. Unter dem Eindruck des Zweiten Weltkrieges schrieb Bertolt Brecht 1938/39 zusammen mit Margarete Steffin in nur wenigen Wochen seine »Chronik aus dem Dreißigjährigen Krieg«, demjenigen Krieg also, der bis dahin als die Katastrophe schlechthin gegolten hatte: als Zusammenbruch jeglicher Zivilisation, umfassender und zerstörerischer als alles, was man sich bis zu den Kriegen der Neuzeit auszudenken vermochte, der »Krieg aller Kriege«.

 

Copyright: Jan-Pieter Fuhr

Brecht zeigt in »Mutter Courage und ihre Kinder« ungeschönt den Alltag derjenigen, die den Krieg aus nächster Nähe erleben und sich durch ihn über Wasser zu halten versuchen: Händlerinnen mit ihren Kindern, Söldner und Köche, die den Heeren im Tross folgen, entwurzelt und heimatlos. Doch der Krieg – so zeigt auch die Geschichte der im Zentrum der Handlung stehenden Marketenderin Anna Fierling – kennt keine Gewinner. Durch die entmenschlichte Welt des Dreißigjährigen Krieges reist sie als »Mutter Courage« von Kriegsschauplatz zu Kriegsschauplatz. Der einzige Garant für das Überleben ihrer Familie ist ihr Geschäftssinn – komme, was da wolle. Ihr Vorhaben, sich und ihre drei Kinder unbeschadet durch die Katastrophe zu bringen und trotzdem ein Auskommen mit dem Krieg zu finden, muss angesichts des allumfassenden Grauens scheitern.

Seit der Uraufführung 1941 in Zürich entwickelte sich »die Courage« zur Paraderolle von Schauspiel-Ikonen wie Therese Giehse oder Helene Weigel. Brechts eigene Inszenierung am Deutschen Theater 1949 blieb über Jahrzehnte hinweg verbindliches Modell. In Augsburg, der Geburtsstadt Bertolt Brechts, war »Mutter Courage und ihre Kinder« zuletzt 1995/96 am damaligen Theater Augsburg mit Christel Peschke in der Hauptrolle zu sehen. Im Bewusstsein der langen Tradition geht das Inszenierungs-Team um David Ortmann kreativ mit dem großen Stoff um und setzt couragiert eigene Akzente.

Dazu gehört ein umfassendes Angebot zugänglicher und vermittelnder Angebote rund um die Inszenierung:

Die der Figur Kattrin zugeordneten Texte und die Kommunikation mit ihrer Familie und den weiteren Figuren bestehen aus Elementen verschiedener Formen von Gebärdensprache, die auch im Hinblick auf den historischen Kontext in der Inszenierung verwendet werden. Mitverantwortlich für die Übersetzung ist der renommierte Gebärdensprach-Experte Stefan Goldschmidt, der auch den Probenprozess als sog. »Deaf Eye«, als aufmerksamer Beobachter von außen, begleitet.

Bei allen Vorstellungen kommen Übertitel in deutscher Schriftsprache zum Einsatz, wodurch sich nicht nur die gebärdensprachlichen Elemente auf der Bühne dem hörenden Publikum erschließen, sondern auch die lautsprachlichen Teile für nicht- oder schwerhörende Zuschauer:innen zugänglich gemacht werden.

Ausgewählte Vorstellungen (19.4. & 23.5.24) werden durch eine Simultan-Verdolmetschung in die Deutsche Gebärdensprache (DGS) von Christiane Schuller und Johannes Nagler für das DGS-kompetente Publikum übersetzt.

Die vom Theater selbst entwickelten »Untertitel für die Hosentasche« kommen bei allen Vorstellungen zum Einsatz. So kann der Text auf Deutsch und Englisch sowie den Brechtfestival-Sprachen Türkisch und Russisch bequem auf dem eigenen Smartphone mitgelesen werden.

    Inszenierung David Ortmann
    Musikalische Leitung Stefan Leibold
    Bühne Jürgen Lier
    Kostüme Ursula Bergmann
    Licht Ron Heinrich
    Dramaturgie Melanie Pollmann
    Mutter Courage Ute Fiedler
    Kattrin, ihre Tochter Anne Zander
    Eilif, der ältere Sohn / Ein Schreiber / Ein Soldat Julius Kuhn
    Schweizerkas, der jüngere Sohn / Ein Soldat / Der junge Mann / Ein junger Bauer John Armin Sander
    Der Feldprediger Gerald Fiedler
    Der Koch Klaus Müller
    Der Feldwebel / Der Feldhauptmann / Der mit der Binde / Ein Soldat / Der Fähnrich Sebastian Müller-Stahl
    Der Werber / Der Zeugmeister / Der alte Obrist / Ein Bauer Kai Windhövel
    Yvette Pottier / Die Bauersfrau / Die alte Frau Natalie Hünig
    Soldaten Statisterie
    Mitglieder der Augsburger Philharmoniker

Am Dienstag, den 6.2. gibt die »Werkstatt« mit Probenbesuch einen exklusiven Vorab-Einblick in die Inszenierung (Treppenfoyer martini-Park, Beginn 18 Uhr, Eintritt 6 Euro).

Bei der Theaterpredigt »Ein Wort zum Sonntag« spricht am 25.2. Freifrau Elisabeth von Hammerstein, Autorin von »Ein Westfälischer Frieden für den Nahen Osten?« und Referentin im Leitungsstab (Reden und Texte) des Bundesministeriums der Verteidigung (Kirche St. Anna, 16 Uhr, Eintritt frei).

»Mutter Courage und ihre Kinder« | Eine Chronik aus dem Dreißigjährigen Krieg von Bertolt Brecht | Premiere Fr 23.2.24 19:30 Uhr | martini-Park
Alle Termine, die vollständige Besetzung und weitere Informationen sind verfügbar unter www.staatstheater-augsburg.de/mutter_courage.

Tickets für »Mutter Courage und ihre Kinder« sowie die begleitende »Werkstatt« sind beim Besucherservice des Staatstheater Augsburg erhältlich (Telefon 0821 324 49 00, E-mail an tickets@staatstheater-augsburg.de, online über www.staatstheater-augsburg.de/spielplan oder persönlich an der Theaterkasse am Rathausplatz, Mo-Fr 9 bis 17 Uhr & Sa 10 bis 17 Uhr).

Für die beiden Vorstellungen mit DGS-Verdolmetschung gelten vergünstigte Sonderpreise, alle Infos online unter www.staatstheater-augsburg.de/inklusion_sehen.
Karten für alle weiteren Veranstaltungen im Rahmen des Brechtfestivals gibt es unter www.brechtfestival.de.

 

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