„Ein Träumer, Schlafwandler, der Herr seiner selbst wird.“ So hat die Dichterin Ingeborg Bachmann Kleists Homburg charakterisiert. Es ist Krieg in Brandenburg. Und eine entscheidende Schlacht steht unmittelbar bevor. Auf die Obersten der Infanterie ist Verlass. Da ist sich Feldmarschall Dörfling sicher. Aber was ist mit diesem jungen Prinzen, der als General der Reiterei vorsteht? Friedrich Arthur von Homburg ist bekannt für seinen Eigensinn. Dörflings Zweifel an Homburg sind begründet. Er ist kein Militär, der funktioniert. Das hohe Amt ist für ihn nicht alles. Er ist ein Träumer in Uniform. Einer, der auch im Dienst Mensch bleiben will.
Ein schwieriger Lebensentwurf: Karriere machen, Ruhm und Anerkennung finden ohne sich verbiegen zu lassen. Kann man ein mitfühlender Manager, eine träumende Bürgermeisterin, ein todesfürchtiger Verteidigungsminister sein? Oder verlangt die gehobene Stellung, persönliche Gefühle zu unterdrücken? Geht es einzig darum, Macht zu zeigen, den öffentlichen Erwartungen zu genügen? Das war Heinrich von Kleists großes Thema.
Sieben Jahre lang war er Soldat – aber nie mit vollem Herzen. Trotz glänzender Perspektiven bat er um Entlassung. Er studierte, reiste und schrieb. Immer wieder unternahm er Versuche, beruflich Fuß zu fassen. Es blieben kurze Zwischenspiele. Vom Glück nicht gerade verwöhnt, nahm sich Kleist im November 1811 das Leben.
In dem letzten Drama, das er schrieb, bringt Kleist die Widersprüche seines Lebens auf wundersame Weise zur Versöhnung. Nicht nur Homburg, auch dem Kurfürst gelingt es, der äußeren Ordnung und der inneren Stimme gleichermaßen Folge zu leisten. „Das Kriegsgesetz, das weiß ich wohl, soll herrschen, jedoch die lieblichen Gefühle auch“ so die Worte Natalies, Homburgs großer Liebe. Kleist zeigt keine Helden und Herrscher sondern eigenständige Individuen, die im Umgang mit sich selbst und miteinander neue Wege gehen. Homburg räumt seinen Fehler ein, der Kurfürst lässt Gnade vor Recht ergehen.
Auf schwankenden Grund bewegen sich die Figuren in Kleists Schauspiel. Ist es ein Traum oder ist es die Wirklichkeit? Schwankend ist auch der Grund, auf dem die Schauspieler in der Gießener Inszenierung von Wolfram Starczewski agieren. Die von Lukas Noll geplante an Stahlseilen hängende, bewegliche Spielfläche macht für Akteure und Zuschauer sinnlich erlebbar: nichts steht so fest wie es scheint.
Inszenierung: Wolfram Starczewski
Bühne und Kostüme: Lukas Noll
Musik: Hendrik Lorenzen
Mit: Ana Kerezovic, Mirjam Sommer; Frerk Brockmeyer, Lukas Goldbach, Rainer Hustedt; Roman Kurtz, Milan Pešl, Harald Pfeiffer
weitere Vorstellungen: 25. September, 01., 06. und 14. Oktober, 18. November,
09. und 30 . Dezember 2011 | jeweils 19.30 Uhr | Großes Haus
06. November | 15.00 Uhr | Großes Haus