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Liebe in Zeiten des Krieges

"I puritani" von Vincenzo Bellini in der Deutschen Oper am Rhein

In Großbritannien findet ein Bürgerkrieg statt: die Puritaner unter Oliver Cromwell kämpfen gegen die katholischen Royalisten. Das private Glück ist in Gefahr.

 

Elvira ist Riccardo versprochen, liebt aber Arturo. Das ist doppelt unglücklich, denn die Familie Elviras gehört zu den Puritanern, während Arturo Royalist ist. Gemeinhin arbeiten sich ja in der Bühnenliteratur Töchter und Söhne, wenn es um Heiratseinwilligungen geht, an ihren Vätern und Müttern ab. Nicht hier: Dank der Fürsprache ihres Onkels Sir Giorgio willigt Elviras Vater Lord Gualtiero Valton trotz allem in eine Hochzeit mit Arturo ein. Eigentlich ganz erstaunlich, widerspricht diese liberale Haltung doch ganz und gar den gesellschaftlichen und auch den politischen Konventionen.

Zudem gelten die Puritaner als sittenstreng und sinnenfeindlich. Umso schlimmer ist es daher, dass Arturo seine Braut vor dem Altar sitzen lässt, um mit einer anderen Frau zu entschwinden. Dieses Verhalten ist nicht nur kränkend, beleidigend und verletzend, sondern bedeutete für damalige Zeiten auch einen unvergleichlichen gesellschaftlichen Abstieg, von den seelischen Schmerzen abgesehen. Die empfindsame Elvira treibt es in den Wahnsinn. Aber Arturo liebt seine Elvira wirklich, die scheinbare Nebenbuhlerin entpuppt sich als ehemalige Königin, die Arturo vor dem Tode retten wollte. Als Hochverräter ist Arturo dem Tode geweiht, wird aber dank einer Amnestie gerettet.

Die politischen Streitigkeiten bilden den Hintergrund von Vicenzo Bellinis Oper „I Puritani“, der Focus ist aber ganz auf Elvira und ihr Leiden gelegt. Natürlich stellt sich die Frage, wieso Elvira auf ein Verlassenwerden mit einem Außersichsein reagiert, das mit Wahnsinn tituliert wird. Außer Verzweiflung wären ja auch Gefühlsäußerungen von Wut, Eifersucht und Rache denkbar. Allein, sie scheint keine Vertraute zu haben, sie ist passiv und duldsam, wächst in einer kargen, gefühlsarmen Umgebung auf, hat einen Vater, der kaum präsent ist, und stattdessen seinen Bruder Fürsorgepflichten wahrnehmen lässt. Elviras Onkel ist aber denkbar ungeeignet, mit Einfühlungsvermögen auf eine junge Frau zu reagieren, wie die quälende Art seiner Mitteilung der Heiratseinwilligung des Vaters nur allzu deutlich macht. Plausibel, wenn dann nur der Weg in die Verzweiflung bleibt.

Für die Deutsche Oper am Rhein hat Rolando Villazón Vicenzo Bellinis Oper „I Puritani“ neu inszeniert. Die Welt der Puritaner wird durch eine dunkle, reduzierte Architektur verdeutlicht. Auch die Kostüme sind allesamt schwarz mit sauberen weißen Kragen. Allein Enrichetta di Francia, die sinnenfrohe Katholikin, sticht im Kontrast dazu mit opulenter, mit Stickereien verzierter Kleidung hervor. Statt historischen Waffen des 17. Jahrhunderts werden Maschinengewehre verwendet.

Euphorisch wurden vom Publikum vor allen Dingen die gesanglichen Leistungen gefeiert. Rolando Villazón hält sich insgesamt mit Regieeinfällen und psychologischen Deutungen zurück und lässt das Geschehen seinen Lauf nehmen. Einige Gesten wirken etwas übertrieben. Das ist tragbar, wenn so hochkarätige Sänger am Werke sind wie Adela Zaharia als überragende Elvira, stimmgewaltig, perfekt intonierend, erschütternd, Belcanto wie man es sich wünscht. Ihr ebenbürtig Ioan Hotea als Lord Arturo Talbot, wenn auch an diesem Abend auch manchmal etwas schwächelnd. Begeisternd Bogdan Talos als Sir Giorgio mit samtenem Bass; überragend auch Jorge Espino als Sir Riccardo Forth und Sarah Ferede als Enrichetta di Francia.

Der bedeutendste Eingriff Rolando Villazóns betrifft das Ende: Arturo stirbt kurz bevor die Amnestie erlassen wird. Es gibt also kein happy ending. Was das für Elvira, die sich kurz zuvor psychisch erholt hatte, bedeuten mag bleibt offen…

"I puritani" von Vincenzo Bellini
Oper in drei Akten
Text von Carlo Pepoli

Musikalische Leitung: Antonino Fogliani
Inszenierung: Rolando Villazón
Bühne: Dieter Richter
Kostüme: Susanne Hubrich
Licht: Volker Weinhart
Chorleitung: Patrick Francis Chestnut
Dramaturgie: Anna Melcher

Lord Gualtiero Valton: Günes Gürle
Sir Giorgio: Bogdan Talos
Lord Arturo Talbot: Ioan Hotea
Sir Riccardo Forth: Jorge Espino
Elvira: Adela Zaharia
Enrichetta di Francia: Sarah Ferede
Sir Bruno Roberton: Andrés Sulbarán
Duisburger Philharmoniker
Chor der Deutschen Oper

Premiere 18.12.2019, Opernhaus Düsseldorf

 

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