Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
»L'incoronazione di Poppea« von Claudio Monteverdi an der Wiener Staatsoper »L'incoronazione di Poppea« von Claudio Monteverdi an der Wiener Staatsoper »L'incoronazione di...

»L'incoronazione di Poppea« von Claudio Monteverdi an der Wiener Staatsoper

Premiere am 22. Mai 2021, 18.30 Uhr

Amor vincit omnia – die Liebe besiegt alles: diesen Beweis will Amor antreten und fährt damit den Allegorien des Glücks und der Tugend, die um die Vorherrschaft streiten, in die Parade. Als Protagonisten seiner Versuchsanordnung hat er sich den mit Ottavia vermählten Kaiser Nero ausgesucht. Noch am gleichen Tag will er dessen Mätresse Poppea zur römischen Kaiserin machen. Wie sich das in den nun folgenden drei Akten der Opera musicale »L’incoronazione di Poppea« zuträgt, hat mit einem weltentrückten Disput antiker Gottheiten allerdings ganz und gar nichts zu tun. Mit einer Musik von überirdischer Schönheit, großer emotionaler Intensität, aber auch voller Komik und bitterem Spott führt uns Claudio Monteverdi vielmehr direkt hinein in ein Geflecht von Machtspielen, Verschwörungen, Skrupellosigkeiten, Enttäuschungen, Liebesschwüren und Morden.

 

Copyright: Wiener Staatsoper GmbH / Michael Pöhn

Der am dekadenten Hof Neros in den Suizid getriebene Philosoph Seneca wird zum Symbol des Bankrotts einer ganzen Gesellschaft. Am Ende ist es nicht die Liebe, die siegt, sondern sind es die Intrige, der Ehrgeiz, die Verführung und die Verführbarkeit.Die in den »Annalen« des Römers Tacitus überlieferte Dreiecks-Geschichte von Nero, Ottavia und Poppea wählte der venezianische Frei -denker Giovanni Francesco Busenello als Grundlage seines Librettos für Monteverdis 1642 in Venedig uraufgeführte letzte Oper. Als maestro di capella von San Marco hatte dieser nicht nur den prestigeträchtigsten musikalischen Posten inne, den die katholische Welt außerhalb Roms vergab, sondern der darstellenden Kunst ein musikalisches Theater geschenkt, das auch heute noch unerhört, ja revolutionär umwerfend ist.

Seit der Uraufführung seiner ersten Oper »L’Orfeo« 1607 am Hof der Gonzagas in Mantua gilt Monteverdi als Begründer des neuzeitlichen Operntheaters und eines eng an die Diktion der Sprache angelehnten Singens, das unser Ohr und damit unsere Gefühle in einer der Vokalmusik bis dato unbekannten Intensität berührt. Darüber hinausgehend wagten die beiden Autoren in ihrer »L’incoronazione di Poppea« etwas auf der Opernbühne noch nie Dagewesenes: Mit der Darstellung historisch verbürgter Persönlichkeiten haben die Götter ihre Macht eingebüßt und liefern nur mehr den Rahmen für ein shakespearenahes Welttheater zwischen Tragödie und Komödie, das den Menschen mit all seinen Leidenschaften, Besessenheiten, Sehnsüchten und Abgründen ins Zentrum rückt. Der sezierenden, auf moralische Wertung verzichtenden Distanz, mit der Busenello auf seine Figuren blickt, antwortet Monteverdi mit einer Musik von differenzierter Menschlichkeit, in der Gewalt, Begehren und Seelennot Klang werden.

Nur ein einziges Mal stand eine Oper Monteverdis bisher auf dem Spielplan der Wiener Staatsoper: Unter der musikalischen Leitung von Herbert von Karajan und in der Inszenierung von Günther Rennert feierte am 1.April 1963 »L’incoronazione di Poppea« in einer stark romantisierten, »freien Neufassung« ihre Premiere. In der Monteverdi-Forschung und der historisch informierten Aufführungspraxis hat sich seither sehr viel getan – nicht zuletzt ausgelöst durch die Pionierarbeit von Nikolaus Harnoncourt und seinem Concentus Musicus. 68 Jahre nach seiner Gründung gibt das in Wien beheimatete Ensemble unter der Leitung des spanischen Dirigenten Pablo Heras-Casado nun sein Hausdebüt in der Staatsoper.

Regisseur, Choreograph und Bühnenbildner ist der auch als Autor und bildender Künstler tätige und 2014 mit dem Goldenen Löwen der Biennale di Venezia ausgezeichnete Belgier Jan Lauwers. Mit seiner in Brüssel beheimateten Needcompany schuf er in mehr als 35 Jahren ein Theater, in welchem sich Musik, Schauspiel, Tanz und bildende Kunst immer wieder neu inspirieren und in die Schwebe bringen. Sein melancholisch-heiterer, humorvoll- skeptischer Stil begegnet in seiner in Koproduktion mit den Salzburger Festspielen entstandenen »L’incoronazione di Poppea« dem großen Menschenzeichner Monteverdi in einer Regie, in der sich alle Mitwirkenden auf einer Ebene treffen: »In unserer Version von ›L’incoronazione di Poppea‹ ist jeder Sänger, jeder Musiker und jeder Tänzer eine eigenständige Kraft – und alle wollen gemeinsam überleben«, erläutert Jan Lauwers seine Konzeption.

Eine Koproduktion mit den Salzburger Festspielen.

Musikalische Leitung
Pablo Heras-Casado
Inszenierung & Bühne
Jan Lauwers
Kostüme
Lemm& Barkey
Licht
Ken Hioco
Choreographie
Jan Lauwers
Paul Blackman
Dramaturgie
Elke Janssens

Nerone
Kate Lindsey
Poppea
Slávka Zámečníková
Ottone, früherer Gatte Poppeas
Xavier Sabata
Ottavia, Neros Gemahlin
Christina Bock
Seneca
Willard White
Virtù / Drusilla
Vera-Lotte Boecker
Solotänzerin
Sarah Lutz Sarah Lutz
Solotänzer
Camilo Mejía Cortés Camilo Mejía Cortés
Nutrice / Famigliare I
Daniel Jenz
Arnalta
Thomas Ebenstein
Amore / Valletto
Isabel Signoret
Fortuna / Damigella / Amorino I
Johanna Wallroth
Pallade / Venere
Aurora Marthens
Lucano / Soldato I / Famigliare II
Josh Lovell
Liberto / Soldato II / Console
Hiroshi Amako
Littore / Tribuno / Famigliare III
Erik Van Heyningen
Amorino II
Katarina Porubanova

Orchester
Concentus Musicus Wien

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 23 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

JAGENDE HORN-PASSAGEN -- Neue CD von Helmut Lachenmann "My Melodies" bei Naxos (BR Klassik - musica viva)

Ein kompositorischer Umgang mit dem Phänomen Melodie steht im Mittelpunkt der Komposition "My Melodies" für acht Hörner und Orchester des 1935 in Stuttgart geborenen Helmut Lachenmann. Unter der…

Von: ALEXANDER WALTHER

VOLLENDETER FORMALER AUFBAU -- Bachs Matthäus-Passion mit den Stuttgarter Hymnus-Chorknaben in der Stiftskirche STUTTGART

Für Karfreitag 1729 schrieb Johann Sebastian Bach seine "Matthäus-Passion" BWV 244 und arbeitete sie dann noch dreimal um. Der vollendet ausgewogene Aufbau dieses Meisterwerks kam in der Aufführung…

Von: ALEXANDER WALTHER

SCHONUNGSLOSE SELBSTERKENNTNIS --- John Gabriel Borkman im Schauspielhaus Stuttgart

Henrik Ibsen ist der Dramatiker der schuldhaft versäumten Selbstemanzipation. Er setzt sich schonungslos mit den Lebenslügen der Menschen auseinander. Seiner Devise "Dichten ist Gerichtstag halten…

Von: ALEXANDER WALTHER

DRAMATISCH GEBALLTER ABLAUF --- Verdi Operngala im Forum am Schlosspark Ludwigsburg

Vorwiegend Spätwerke Giuseppe Verdis standen bei dieser sehr gelungenen Operngala auf dem Programm. Die vorzüglich musizierende Württembergische Philharmonie Reutlingen unter der inspirierenden…

Von: ALEXANDER WALTHER

FEINSTE SCHATTIERUNGEN DES GEFÜHLS -- Stuttgarter Philharmoniker unter Gabriel Feltz mit Berg und Brahms in der Liederhalle Stuttgart

Wieder konnte man als "Minutenstück" eine interessante Komposition eines Studenten der Kompositionsklasse von Prof. Marco Stroppa an der Stuttgarter Musikhochschule hören. Der 1987 in Mailand geborene…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑