Ada, vierzehn Jahre alt, ist neu an der Bonner Privatschule »Ernst-Bloch«. Sie gilt als schwererziehbar, aber auch als hochbegabt; sie ist altklug und eine, von der die anderen bald sagen: »Die scheißt auf alles«. Vor ihrem ätzenden Verstand, der sich schon durch die gesamte Weltliteratur gefressen hat, erscheint die Welt langweilig und fad. Sie hat keine Wünsche, keine Überzeugungen, geschweige denn Ideale, sie sehnt sich ebensowenig nach Abenteuern und Revolten wie nach Ruhe und Frieden des Althergebrachten. Aber Ada ist alles andere als depressiv, sie ist lediglich Teil einer Generation, in der nüchterner Pragmatismus an die Stelle von lästiger Moral getreten ist. Die Urenkel der Nihilisten, so nennt Ada diese Schwellenmenschen.
In Alev, einem älteren Klassenkameraden, findet sie endlich einen ebenbürtigen Gegenpart. Denn Alev ist eine männliche Sphinx: ein charmanter wie wortgewaltiger Verführer mit der »Intelligenz und Härte eines Wahnsinnigen «. Vor allem aber ist Alev getrieben von einem kalten Willen zur Macht. Gemeinsam beginnen die beiden ein perfides Katz-und-Maus-Spiel mit ihrem Lehrer Smutek, das in grausamer Erpressung gipfelt. »Was bringt die Erpressung? « fragt Alev, um daraufhin selbst zu erklären: »Macht. Neue Entfaltungsmöglichkeiten für alle Beteiligten. Vergnügen. Vielleicht Geld. Vor allem aber: Befriedigung des Spieltriebs.« Im Mikrokosmos der Schule entspinnt sich so eine mitreißende Geschichte, die schließlich in einer Gewaltorgie mündet.
Der Preis der Freiheit, sagt Juli Zeh, ist ein ewiger Rest an Gewalt. Wenn Liebe, Ökonomie und Politik nur noch als abgeschmackte Wettkampfdisziplinen erscheinen, Bibel, Grundgesetz und Menschenrechte lediglich Spielregeln einer alten Gesellschaftsordnung sind, wird das Spiel zur letztmöglichen Seinsform. Doch nicht nur im Roman der dreißigjährigen Autorin wird das Spiel zum existentiellen Trieb, auch im Theater werden ständig spielend Formen und Werte überprüft. Wenn aber der Spieltrieb letzter Antrieb ist, wer kann dann noch sagen, was gut und böse ist? Der junge Regisseur Roger Vontobel wird anhand dieser Fragestellung gemeinsam mit dem Dramatiker Bernhard Studlar diesen außergewöhnlichen Roman für die Bühne bearbeiten. »Spieltrieb« wirft auf unterhaltsame Weise philosophische Fragen der Existenz, der Ethik und der Identität auf. In dieser raffinierten Versuchsanordnung entsteht das Bild einer Generation, die mit der allumfassenden Möglichkeit des Seins und Denkens verstanden hat zu leben, nicht resignativ, sondern zutiefst verspielt.
Regie: Roger Vontobel
Bühne: Petra Winterer
Kostüme: Dagmar Fabisch
Video: Dirk Hermeyer
Dramaturgie: Nicola Bramkamp
Es spielen: Marco Albrecht, Gernot Grünewald, Irene Kugler, Max Mayer*, Jana Schulz, Monique Schwitter, Jürgen Uter
Weitere Vorstellungen:
18.03.2006 20.00
02.04.2006 20.00
08.04.2006 20.00
17.04.2006 20.00
28.04.2006 20.00
29.04.2006 20.00