Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
Christoph Willibald Gluck: "Orphée et Euridice" im Staatstheater StuttgartChristoph Willibald Gluck: "Orphée et Euridice" im Staatstheater StuttgartChristoph Willibald...

Christoph Willibald Gluck: "Orphée et Euridice" im Staatstheater Stuttgart

27. Juni 2009, 19 Uhr, Opernhaus

Die Staatsoper Stuttgart und das Stuttgarter Ballett präsentieren in ihrer ersten gemeinsamen Musiktheaterproduktion die französische Fassung von Christoph Willibald Glucks „Orphée et Euridice“.

Die Ensembles von Oper und Ballett choreographiert und inszeniert Christian Spuck, dessen Kreationen das Repertoire des Stuttgarter Balletts in den letzten Jahren wesentlich prägen. Die musikalische Leitung hat der britische Barockspezialist Nicholas Kok, der an der Staatsoper bereits Monteverdis „L’ incoronazione di Poppea“ dirigierte.

Glucks 1774 uraufgeführte Pariser Fassung seiner Orpheus-Oper von 1762 ermöglicht in mehrfacher Hinsicht eine Neu¬entdeckung: Die Titelpartie ist in dieser Fassung für keinen Mezzosopran, sondern für einen hohen Tenor mit Koloratur in teilweise extremer Lage notiert. In Stuttgart debütiert in dieser äußerst anspruchs¬vollen Partie der junge brasilianische Sänger Luciano Botelho. Neben Einfügung neuer Chor-, Solo- und Ensemblegesänge integrierte oder revidierte Gluck für die Pariser Fassung einige seiner berühmtesten Ballettmusiken wie den „Reigen seliger Geister“ oder den „Furientanz“ und erweiterte so den Anteil der Tanzszenen erheblich.

„Der Reiz dieser Fassung ist das erstrebte Gleichgewicht von Tanz und Gesang“, sagt Christian Spuck über seine zweite Opernregie. „Den Weg des Orpheus begreife ich als schamanistische ‚Jenseitsreise’. Ich möchte die Wahrnehmungsverschiebungen und Bewusstseinserweiterungen eines solchen ‚Seelenflugs’ konkret erzählen und zugleich ein Spiel, einen Dialog mit der Wahrnehmung des Zuschauers selbst führen. Die Dramaturgie der Oper in ihrer französischen Fassung ist nicht linear, wie in der italienischen, sondern eher a-logisch, aufhaltsam und mäandernd, das ermöglicht eine spannende Bühneninszenierung. Wir erzählen keine reale Wanderung durch verschiedene Räume. Sondern ein einziger Raum – ein von meinem Bühnenbildner

Christian Schmidt entworfener Ballsaal – verändert sich durch Orphées und unsere Wahrnehmung und wird so als Erde, Unterwelt und Elysium erfahren.

Kostümbildnerin Emma Ryott hat eine Art Grundkostüm für jeden Akteur entworfen. Dieses verwandelt sich durch die unterschiedlichen ‚Aggregatszustände’ des Raumes. Orphées Trauergemeinde mutiert sukzessive zu den Furien und seligen Geistern, zuletzt zur Hochzeitsgesellschaft, die sich zur Feier der – erneuten? – Liebesheirat von Orphée und Euridice versammelt. Wir begeben uns also auf eine Reise unserer Wahrnehmung. Diese Reise, die Orphée auf sich nimmt, um seine Trauer zu bewältigen, ist eine Traumerfahrung, ebenso zerbrechlich, gefährdet und gefährlich wie eine schamanistische ‚Seelenreise’“, so Spuck.

Das Elysium begreift Spuck als einen Ort des Vergessens: „Alles funktioniert nach eigenen befremdlichen Gesetzmäßigkeiten, in denen Euridice nicht unglücklich scheint. Als wolle sie diesen Ort vielleicht gar nicht mehr verlassen. Möglicherweise ist das Elysium ein Ort, wo es das Individuum so gar nicht mehr gibt. Die Einmaligkeit einer Person hat sich aufgelöst und verschwimmt und so begegnen Orphée Spiegelungen seiner ehemaligen Geliebten.“ In der Stuttgarter Aufführung singen Alla Kravchuk und Catriona Smith diese Partie, die Rolle des Amor übernimmt die Sopranistin Christina Landshamer. Auf eine Verdoppelung der Gesangssolisten durch Tänzer verzichtet Spuck bewusst und gestaltet den Tanz als „situativen Kommentar der Konflikte und Befindlichkeiten der Protagonisten“. Spucks Choreographie lässt die Kollektive des Staatsopernchors und des Stuttgarter Balletts zu „einem dynamischen, singend-tanzenden Kollektiv-Wesen“ verschmelzen, aus dem einzelne Tänzer (wie die Solisten Alicia Amatriain und Alexis Oliveira, Oihane Herrero, Myriam Simon, Damiano Pettenella und William Moore) solistisch hervortreten. (Sergio Morabito)

Tragédie opéra in drei Akten

Text von Pierre-Louis Moline nach Ranieri de Calzabigi

In französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Musikalische Leitung Nicholas Kok

Regie und Choreographie Christian Spuck

Bühne Christian Schmidt

Kostüme Emma Ryott

Licht Reinhard Traub

Dramaturgie Sergio Morabito

Besetzung

Orphée Luciano Botelho

Euridice Alla Kravchuk, Catriona Smith

L’Amour Christina Landshamer

4 Solo Paare Rachele Buriassi, Alicia Amatriain, Myriam Simon, Oihane Herrero

William Moore, Roland Havlica, Damiano Pettenella, Nikolay Godunov

Suite de l’Amour Alexis Oliveira

Brent Parolin, Mikhail Soloviev, Dimitri Magitov, Tomas Danhel

Chor der Staatsoper Stuttgart

Corps de ballet des Stuttgarter Balletts

Staatsorchester Stuttgart

Weitere Aufführungen: 4., 10., 17., 19., 24., und 27. Juli 2009

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 20 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

STIMMUNGSVOLL UND BEWEGEND -- "sparda klassik open air" auf der Freilichtbühne Killesberg STUTTGART

Die Singenden Grundschulen "SingGrund" Filderstadt sowie die Band "POPcorn" unter der kompetenten Leitung von Monika Grauschopf eröffneten dieses Open-Air-Konzert mit "Jetzt geht's los" von Uli Führe.…

Von: ALEXANDER WALTHER

KÖNIGSTHEMA VOLLER ERHABENHEIT -- Neue CD mit Bachs "Kunst der Fuge" mit dem Ensemble il Gusto Barocco bei Berlin Classics

Die kunstvoll-abwechslungsreichen Fugen von Johann Sebastian Bach werden vom Stuttgarter Ensemble il Gusto Barocco sehr ausgewogen und transparent musiziert. Unter der inspirierenden Leitung von Jörg…

Von: ALEXANDER WALTHER

WALZER IN ALLEN SCHATTIERUNGEN -- Monrepos Open Air bei den Schlossfestspielen LUDWIGSBURG

Unter dem Motto "Turned up" eröffnete das Orchester des Goethe-Gymnasiums Ludwigsburg unter der inspirierenden Leitung von Benedikt Vennefrohne diesen besonderen Abend mit der Konzertsuite aus…

Von: ALEXANDER WALTHER

STÜRMISCHE GLUT -- SWR Symphonieorchester unter Markus Poschner in der Liederhalle STUTTGART

Goethes "Egmont" inspirierte Ludwig van Beethoven im Jahre 1810 zu einer Schauspielmusik, die in keiner ihrer verschiedenartigen Nummern erkennen lässt, dass es sich dabei um ein Auftragswerk…

Von: ALEXANDER WALTHER

REIZVOLLE SPRÜNGE -- Arabella Steinbacher im Ordenssaal bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen

Stimmungsvolle Werke hatte sich die Geigerin Arabella Steinbacher zusammen mit dem Pianisten Peter von Wienhardt ausgewählt. Im Arrangement von Jascha Heifetz erklangen zunächst vier leidenschaftlich…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑
StartseiteBeiträgeKritikenHintergründeTheatermacherServiceFachbegriffeSuche