Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
"Der Stellvertreter" von Rolf Hochhuth im Münchner Volkstheater"Der Stellvertreter" von Rolf Hochhuth im Münchner Volkstheater"Der Stellvertreter" von...

"Der Stellvertreter" von Rolf Hochhuth im Münchner Volkstheater

Premiere am 25. Januar 2012 um 19.30 Uhr. -----

Kurt Gerstein, Mitglied der Bekennenden Kirche und ehemaliger KZ-Häftling, nun bei der SS, erscheint in der päpstlichen Nuntiatur in Berlin, um einen Protest des Papstes gegen die Deportation der Juden zu erwirken.

Auch der Jesuitenpater Riccardo Fontana versucht das Oberhaupt der rö-misch-katholischen Kirche, von der massenhaften Vernichtung von Juden in Konzentrationslagern durch NS-Deutschland in Kenntnis zu setzen. In Rom erfährt Fontana, dass der Vatikan mitnichten zu intervenieren gedenke. Als sich auch in Rom die Juden sammeln müssen, um nach Ausschwitz deportiert zu werden, heftet sich der desillusionierte Fontana den Gelben Stern an die Soutane und fährt nach Ausschwitz. Der „Doktor“, ein zynischer Vertreter des absoluten Bösen, zwingt den Pater, im Krematorium zu arbeiten, um ihn von seiner „Humanitätsduselei“ zu befreien. Der Plan Gersteins, ihn zu befreien schlägt fehl. Gerstein wird abgeführt, Fontana erschossen, die Vernichtungsmaschine läuft unaufhaltsam weiter.

 

„Hochhuth zeigt den Menschen als Handelnden, der im Handeln Stellvertreter einer Idee ist: frei in der Erfüllung dieser Idee, frei in der Einsicht in die Notwendigkeit kategorischen, menschenwürdigen Handelns ... Diese Freiheit leugnen hieße auch: die Schuld leugnen, die jeder auf sich genommen hat, der seine Freiheit nicht dazu benutzte, sich gegen die Unmenschlichkeit zu entscheiden.“ (Erwin Piscator)

 

Nur wenige Stücke haben in den letzten Jahrzehnten so große Wellen geschlagen wie Rolf Hochhuths Stück „Der Stellvertreter“. Die Uraufführung des „christlichen Trauerspiels“ im West-Berliner Theater am Kurfürstendamm am 20. Februar 1963 durch Erwin Piscator löste die bis dahin größte und weitreichendste Theaterdebatte der Bundesrepublik Deutschland aus und sorgte für internationale Kontroversen. In dem Stück geht es um den SS-Offizier Kurt Gerstein und den jungen Priester Riccardo Fontana. Beide sind entsetzt über die einsetzende Judenverfolgung in Hitler-Deutschland und sehen die letzte Möglichkeit zur Rettung der Juden darin, Papst Pius XII im Vatikan davon zu informieren, damit dieser in aller Öffentlichkeit scharfe Kritik am Nazi-Regime übe. Der Papst aber schweigt und geht davon aus, dass jedes Wort von ihm die Lage nur verschlimmern würde.

 

Die Wirkung

 

Durch dieses „christliche Trauerspiel" wurde Rolf Hochhuth zu einem weltbekannten Dramatiker. Neben einigen positiven Meinungen, wie zum Beispiel von Martin Walser: „Enorm, was der kann. Geschichte soll man von jetzt an füglich Hochhuth überlassen ... Endlich wieder ein Autor, der bester Rowohlt ist, ein legitimer Sproß der längst fälligen Sartre-Brecht-Ehe." gab es auch etliche negative. So nannte der französische Dramati-ker Armand Gatti den „Stellvertreter" „schlimmste bürgerliche Heuchelei".

 

Vor allem die Massenmedien veranstalteten eine wahre Hetzkampagne gegen Hochhuth. Von der Frankfurter Allgemeinen wurde „Der Stellvertreter" als „das umstrittene Schauspiel des Jahrhunderts" bezeichnet. Theaterkritiker sagten über das Schauspiel: „der elementartste literarische Ausbruchsversuch aus dem tragischen Lebensgefühl einer Generation, die nach der Niederlage des Faschismus keine grundsätzlichen gesellschaftlichen Veränderungen erlebt hatte."

 

Durch den Gerhart-Hauptmann-Förderpreis (1963) und den Berliner Litera-turpreis „Junge Generation" kam es dennoch zur Würdigung des „Stellvertreters". Jedoch geriet das Stück durch diese Würdigungen wiederum in scharfe Kritik und musste deshalb von Piscator aus technischen Gründen vom Spielplan abgesetzt werden. Dadurch interessierten sich die Leute von dieser Zeit an erst recht für das Stück. Rolf Hochhuth sagte über die Wirkung seines Schauspiels: „Ich erkläre mir die Wirkung daher, dass ich Themen aufgegriffen habe, die offensichtlich die Allgemeinheit sowieso beschäftigen. Ich habe artikuliert, was viele Leute beschäftigt und daher der Widerhall.“

 

Regie: Christian Stückl

Bühne und Kostüme: Stefan Hageneier

 

Mit Jean-Luc Bubert, Pascal Fligg, Justin Mühlenhardt, Oliver Möller, Kristina Pauls, Pascal Riedel, Stefan Ruppe, Max Wagner

 

30.01.2012

31.01.2012

09.02.2012

10.02.2012

19.02.2012

25.02.2012

07.03.2012

 

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 18 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

REIZVOLLES SPIEL MIT KLASSISCHEN FORMEN -- Konzertabend beim deutsch-türkischen Forum mit Gülsin Onay und Erkin Onay im Hospitalhof STUTTGART

Sie ist Staatskünstlerin der Türkei und eine renommierte Pianistin: Gülsin Onay. Sie trat auch mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks auf. Zusammen mit ihrem Sohn Erkin Onay (Violine)…

Von: ALEXANDER WALTHER

EXPLOSIVE KLANGMISCHUNG -- "Eine florentinische Tragödie" von Alexander Zemlinsky bei NAXOS (BR KLassik)

Nicht sonderlich erfolgreich geriet die Stuttgarter Uraufführung der einaktigen Oper "Eine florentinische Tragödie" von Alexander Zemlinsky im Jahre 1917 unter der Leitung von Max von Schillings. In…

Von: ALEXANDER WALTHER

Die ganze Wahrheit? -- „True Crime“ - Andrey Kaydanovskiy | Hege Haagenrud | Demis Volpi in der Deutschen Oper am Rhein

Drei tänzerische Perspektiven zu Wahrheit und Fiktion: Andrey Kaydanovskiy „Chalk“, Hege Haagenrud „The Bystanders“, Demis Volpi „Non-Fiction Études“  

Von: Dagmar Kurtz

SZENEN OHNE ILLUSIONEN -- "Tosca" von Giacomo Puccini in der Staatsoper Stuttgart

Kann Kunst unsere Wirklichkeit beeinflussen? Diese Frage steht als zentrales Thema im Zentrum der Inszenierung von Willy Decker, dessen Figuren sich in Puccinis "Tosca" in einem schwarzen Kasten…

Von: ALEXANDER WALTHER

RETTET DIE FRAUEN! -- Premiere "Zertretung" von Lydia Haider im Schauspiel Nord STUTTGART

Die 1985 in Oberösterreich geborene Lydia Haider hat hier einen radikalen Text vorgelegt, der zuweilen an Rainald Goetz erinnert. Die zentrale Frage lautet: Wie geht man mit einem System um, das…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑