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Theater Heilbronn: "Hexenjagd", Schauspiel von Arthur Miller

Premiere am 4. Mai 2019, 19.30 Uhr, Großes Haus

Arthur Millers „Hexenjagd“ zeigt, wie Fanatismus in einem Klima der Unsicherheit gedeiht und eine Gesellschaft zerstört. --

"Ich wäre wahrscheinlich nie auf die Idee gekommen, ein Theaterstück über die Hexenprozesse im Salem des Jahres 1692 zu schreiben, wenn ich nicht die erstaunliche Ähnlichkeit mit der katastrophalen Situation in den Vereinigten Staaten der späten Vierziger und frühen Fünfziger gesehen hätte“, schilderte Arthur Miller die Entstehung seines Schauspiels „Hexenjagd“ im Jahre 1953 auf dem Höhepunkt der Kommunistenverfolgung während der McCarthy-Ära in den USA.

 

Copyright: Rebekka Mönch

Die Verhöre erinnerten den Autor an die Ereignisse im  streng puritanischen Salem, Massachusetts, in deren Folge sich die Gemeinde fast vollkommen selbst liquidiert hatte. Miller reiste an den Ort des Geschehens, recherchierte in alten Gerichtsakten und hielt sich weitestgehend an die historische Wirklichkeit.

Bis heute hat „Hexenjagd“ nichts an Aktualität verloren. Die Mechanismen von Massenhysterie und Fanatismus funktionieren noch genauso. Diffuse Ängste schüren ein Klima, in dem sich Lügen ungehindert ausbreiten und mit alternativen Fakten jongliert wird, die der Nährboden für Hass, haltlose Anschuldigungen und Verfolgung sind. Weil mittlerweile Parteien und Bewegungen wieder salonfähig geworden sind, die mit diesen Mitteln die Massen manipulieren und Ängste als Machtmittel nutzen, steht das Schauspiel auf dem Spielplan. Gleichsam als Parabel für eine Gesellschaft, in der Toleranz und Vernunft im öffentlichen Diskurs immer stärker einem hysterisch geführten, gefährlichen Disput weichen. Die Premiere ist am 4. Mai um 19.30 Uhr im Großen Haus des Theaters Heilbronn. Regie führt Uta Koschel, die mit dieser Inszenierung ihren Abschied als Chefregisseurin des Theaters Heilbronn nimmt, bevor sie als Schauspieldirektorin nach Schwedt wechselt.

Zum Inhalt
Salem in Massachusetts im Jahre 1692. Das Leben in der Gemeinde ist entsagungsreich und von geradezu fanatischer Gottesfurcht geprägt. Der Glaube der Menschen verbietet jegliches Vergnügen – das Feiern von Festen, Tanz, Theater, sogar das Lesen. Die Einhaltung der Regeln wird strengstens überwacht. Da beobachtet Pastor Parris (Nils Brück) eines nachts Ungeheuerliches: Eine Gruppe von Mädchen und jungen Frauen tanzt  im Wald, darunter seine Tochter Betty, seine Nichte Abigail Williams (Stella Goritzki) und seine Hausangestellte Tituba (Ipek Özgen a.G.). Als die Mädchen die Entdeckung bemerken, brechen einige von ihnen aus Angst vor der drohenden Strafe zusammen.  Parris‘ Tochter Betty erwacht nicht mehr aus ihrer Ohnmacht. Und der Doktor meint, man müsse nach übernatürlichen Ursachen forschen. Abigail Williams, die die wahre Ursache nicht preisgeben möchte, erzählt von Gerüchten über Hexerei, die im Umlauf seien. Und Parris, der ohnehin viele Feinde in der Gemeinde hat und fürchtet, wegen der heidnischen Aktion von Tochter und Nichte selbst in Misskredit zu geraten, spielt das Spiel mit, das bald einen unheilvollen Verlauf nimmt.

Der erfahrene Exorzist Reverend Hale (Marek Egert) stellt die Mädchen zur Rede.  Abigail bezichtigt  Tituba, mit dem Teufel im Bunde zu stehen und die Schuldige zu sein.  Tituba wird so lange unter Druck gesetzt, bis sie zusammenbricht und die Namen von Menschen nennt, die sie angeblich in Begleitung des Gehörnten gesehen hat. Abigail setzt die Liste der Namen fort, und die anderen Mädchen stimmen mit ein - der Beginn einer Massenhysterie. Von nun an greifen Denunziationen und Misstrauen um sich. Die Bezichtigung, ein Werkzeug des Teufels zu sein, eignet sich bestens, um Gegner aus dem Weg zu räumen. Menschen verleumden unschuldige Mitbürger aus Abneigung oder weil sie sich wirtschaftliche Vorteile versprechen. Das Gericht reagiert in diesem Klima der Angst völlig überfordert. Wer nicht gesteht, wird gehenkt. Abigail Williams spielt ein besonders perfides Spiel. Sie hatte eine kurze Affäre mit dem angesehenen Bauern John Proctor (Hannes Rittig) und hofft, wenn sie dessen Frau Elisabeth (Lisa Wildmann a.G.) der Hexerei bezichtigt, deren Platz einnehmen zu können. John Proctor, der die Liebschaft längst bereut, versucht die Hintergründe für Abigails Treiben zu entlarven. Doch der wahnwitzige Fortgang der Ereignisse mit den vielen Lügen, der ängstlichen Hysterie und dem Machtmissbrauch ist nicht mehr aufzuhalten.

Puritanische Schlichtheit

Obwohl die geschilderten Mechanismen zeitlos sind, siedelt Uta Koschel die Inszenierung in der Zeit der Hexenprozesse an. „Man kann den religiösen Fanatismus nicht einfach ins Heute übertragen“, sagt die Regisseurin. In Bühne und Kostüm (Tom Musch) wird die Schlichtheit des Puritanismus aufgegriffen. Große, schwere an Kirchengestühl erinnernde Holzbänke prägen die Bühne, die mittels der Drehbühne immer neue Räume bilden. Abgeschlossen wird der Raum durch eine große übermächtige Wand – als Projektionsfläche für Macht, Ängste und Phantasien.

Regie: Uta Koschel
Ausstattung: Tom Musch
Dramaturgie: Sophie Püschel

Mit: Nils Brück (Samuel Parris, Pastor von Salem); Marek Egert (Pastor John Hale, Exorzist); Stefan Eichberg (Danforth, Stellvertreter des Gouverneurs), Stella Goritzki (Abigail Williams); Lucas Janson (Ezekiel Cheever, Gerichtsdiener); Malin Kemper (Mary Warren, Magd der Proctors); Frank Lienert-Mondanelli (Giles Corey, ein Bauer); Ipek Özgen (Tituba); Judith Lilly Raab (Ann Putnam, Großgrundbesitzerin); Hannes Rittig (John Proctor, ein Bauer), Sabine Unger (Rebecca Nurse, Großgrundbesitzerin); Lisa Wildmann (Elisabeth Proctor)

Statisterie:
Die Rolle der Betty spielen Lilly Eichberg und  Matilda Martínez alternierend
Mädchen von Salem sind: Leonie Decker, Sofie Grajqevci, Josefine Hirsch, Lena Alice Knecht, Leonie Marie Kurz, Anna Laukhuf, Carolin Schwarzbürger, Christiane Staudacher

 

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