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DER VETTER AUS DINGSDA, Operette von Eduard Künneke, Wuppertaler Bühnen

Premiere 7. November 2010, 18.00 Uhr im Opernhaus

 

Künneke war ein von Musik besessenes Kind, spielte mehrere Instrumente und hatte ein Erweckungserlebnis, als er ein selbstkomponiertes Stück für eine Militärkapelle selbst dirigieren durfte.

Er studierte folgerichtig Musik (u.a. bei Max Bruch), schrieb ein concerto grosso für Jazzband und großes Orchester und wollte hoch hinaus. Doch zum Überleben musste er einen Männergesangsverein leiten, begleitete Schallplattenaufnahmen, instrumentierte Orchesterwerke etc. Er komponierte Opern, brachte sie jedoch nirgends unter. Nach dem Krieg ein weiteres Schlüsselerlebnis: er dirigierte das „Dreimäderlhaus“ von Berté und war infiziert: „entschlossen, wenn auch mit schlechtem Gewissen“ widmete er sich der Operette, und 1921 kam der große Erfolg mit dem „Vetter aus Dingsda“.

 

Da hatte die Operette als Genre schon einige Entwicklungen hinter sich, und Künneke erfand die Operette, die sich selbst auf die Schippe nahm. Gerade die Sentimentalitäten, die sich in Fernweh-Träumen und idealisierten Landschaften und Gesellschaften, artikulierten, wurden bei Künneke schärfster Ironie ausgesetzt: Das spießige Kleinbürgertum hat nur noch Geld, Kleingärten und Erbschaften im Sinn, die Jugend tanzt auf dem Vulkan, lebt risikoreich, wirft moralische Werte über Bord, tanzt und lacht sich davon.

 

Historische Gemengelagen spiegeln sich in der Geschichte: wir befinden uns auf einem kleinen holländischen Schlösschen (denen geht`s noch gut, sie haben keinen Krieg verloren, und zehren noch von ihren Kolonien!). Der Titel ist der verzweifelte Ausruf eines ignoranten Deutschen, der sich noch nicht mal das Wort Batavia merken kann, geschweige denn, dass er auch nur die leiseste Ahnung hätte von den fernen Schönheiten Asiens.

 

Geld oder Liebe! Romeo (Roderich) und Julia müssen wie Weiland die Capulets und die Montagues ihre Namen loswerden, denn Namen verweisen auf Macht, Stolz, Sitte und Anstand. Nur der Namenlose lässt alles hinter sich und betritt als freier Mensch (oder als armer Wandergesell) den Garten der Liebe. Julia und Hannchen setzen alles in Bewegung, um klarzumachen: es geht hier um eine andere Form von Glück, jenseits kleiner Freuden im blankgeputzten Wohnzimmer und penibel hergerichteten Kleingarten. Das Fremde lockt, das Unbekannte, das, was noch keinen Namen hat, keine Nummer, keine Identifizierung. Alles Vorbedachte, Bedenkliche, Planmäßige wird anarchisch weggelacht und die unbedingte Glückssuche erweist sich machtvoller als die Akkumulation von - Kleinkapital.

 

Musikalische Leitung: Tobias Deutschmann

Inszenierung: Robin Telfer

Bühne: Monika Frenz

Kostüme: Tanja Liebermann

Choreographie: Norbert Steinwarz

Dramaturgie: Johannes Blum

 

Mit: Elena Fink, Dorothea Brandt, Olaf Haye, Michaela Mehring, Miljan Milović, Boris Leisenheimer, Adam

Sanchez, Miriam Scholz, Peter K. Hoffmann

Tanzstatisterie

Sinfonieorchester Wuppertal

 

Die nächsten Vorstellungen sind am 14. November sowie am 18. Dezember 2010 im Opernhaus.

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