Gertrud hat neu geheiratet, ihr Sohn Hamlet kann den Stiefvater Claudius nicht akzeptieren, schreibt ihm die Schuld am Tod des Vaters zu. Mit seiner Freundin Ophelia sondert Hamlet sich von den Eltern ab. Die haben Angst, die Kontrolle über die nächste Generation zu verlieren und versuchen, sie im Namen der Fürsorge zu instrumentalisieren. Die Adaption Koltès' verzichtet komplett auf Shakespeares Hofstaat und fasziniert als fokussierte Parabel um Machtphantasien und -ängste.
"Hamlet. Der Tag der Morde" (frz. Le Jour des meurtres dans l'histoire de Hamlet) ist eine Ent-deckung aus dem Nachlass von Koltès. Schon früh, von 1969 an, hat sich Bernard-Marie Koltès (9. April 1948-15. April 1989) intensiv mit den Dramen Shakespeares beschäftigt. 1974 schrieb und inszenierte er "Hamlet. Der Tag der Morde" in Straßburg. Er konzentriert den großen Shakespeare-Stoff ganz auf die vier Hauptfiguren Hamlet, Ophelia, Claudius und Gertrud, spielt mit den Motiven und Sätzen der Figuren und fügt sie zu einer neuen Hamletgeschichte zusammen. Bei Koltès gibt es keine Außenwelt und damit auch keinen Fluchtmöglichkeit aus der familiären Tragödie. Ein Kräftemessen zwischen den Generationen, eine Ringen um Aufmerk-samkeit und Geltung jedes Einzelnen bestimmt den Alltag, der in den "Tag der Morde" mündet. Die Bearbeitung des Shakespeare-Textes weist bereits deutlich auf Schwerpunkte und Motive in Koltès' späteren Stücken hin.
Ernst Stötzner, der 2008 für seine schauspielerischen Leistungen mit dem Gertrud-Eysoldt-Ring ausgezeichnet wurde, inszeniert seit Ende der achtziger Jahre in Berlin (Schaubühne, Maxim Gorki Theater, Deutsches Theater) sowie am Nationaltheater Mannheim, am Schauspielhaus Zürich und kontinuierlich am Schauspielhaus Bochum. Er inszeniert erstmals für das SCHAUSPIEL STUTTGART.
Regie: Ernst Stötzner, Bühne: Petra Korink, Kostüme: Christine Mayer, Dramaturgie: Frederik Zeugke
Mit: Christoph Gawenda (Hamlet), Markus Lerch (Claudius), Nadja Stübiger (Ophelia), Anna Windmüller (Gertrud)