Als Euripides im Frühling 408 v.Chr. das sozialdemokratische Athen verließ, um niemals wieder dorthin zurückzukehren, war er wahrscheinlich ein bitter enttäuschter Mann. Neben seinen beiden großen Zeitgenossen und Tragödien-Kollegen, neben dem erzenen Aischylos, dem blattgoldnen Sophokles, war er selber als Dramatiker fast gar nicht gewürdigt, sogar noch schlimmer: zur beständigen Spottfigur für den flachstirnigen Feuilletonisten Aristophanes geworden. - Nun geschieht das Ungeheure: Der fast 80jährige Euripides zieht sich nicht einfach in eine bequeme Landvilla in der idyllischen Umgebung zurück, sondern geht an den makedonischen Hof des Königs Archelaos, ins harte Exil der Barbarei. Frischer Wind der Barbaren. Und hier, in der fremdesten Fremde, entwirft Euripides kurz vor seinem Tod eine gespenstische, gnadenlos endgültige Abrechnung mit dem Staat Athen: das Bild eines liberal aufgeklärten, technokratisch zivilisierten Regierungschefs, der dem dionysischen Ansturm immer neuer Vierter Welten hilflos gegenübersteht. Empire. Athen bejubelte das Drama. Blind für den eigenen Untergang.
Der Regisseur Jossi Wieler hat an den Kammerspielen "Das Fest des Lamms", "Alkestis" und "Mittagswende" inszeniert. Die beiden letzteren waren zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Außerdem haben wir seine Züricher Arbeit "Winter" von Jon Fosse in unseren Spielplan übernommen. Jetzt inszeniert er "Die Bakchen" des Euripides, in denen Wiebke Puls, die gerade aufgrund ihrer Rolle als Kriemhild in den "Nibelungen" zur Schauspielerin des Jahres gekürt wurde, ihren Einstand als festes Ensemblemitglied gibt.