Das 4. Gebot bildet den Ausgangspunkt einer neuen Musiktheaterproduktion des Theater Kontra-Punkt: Du sollst Vater und Mutter ehren.
Dieser älteste Generationenvertrag ist längst nicht mehr nur eine Verpflichtung innerhalb einer Familie - der erwachsenen Kinder gegenüber ihren alten Eltern - sondern er prägt den Zustand unserer ganzen Gesellschaft: wie gehen WIR mit dem Zustand des Menschen um, in dem er keinen „wirtschaftlichen Nutzen“ für die Allgemeinheit mehr hat.
In einer artifiziellen Zustandsbeschreibung treffen in unserem Stück drei
Generationen aufeinander:
Ein Club alter Menschen, der den Lebensabend unter sich verbringt, die
mittlere Generation in Form der „arbeitenden Bevölkerung“, die sich ihre
Dienste bezahlen lässt und die junge Generation, die angehenden
Erwachsenen, die in desolaten Familien aufgewachsen sind und ihre Eltern bisher nicht als „zu ehrenden“ Personen kennen gelernt haben. Der Club der Alten trifft sich zu einem Diner. Die Kommunikation findet über Volklieder ihrer Zeit statt. Die Alten erzählen autobiographische Geschichten über die
Beziehung zu ihren Kindern und Eltern im Positiven und im Negativen. Sie diskutieren ihre persönlichen Erlebnisse von „alt sein“.
Die mittlere Generation steht in einem ‚Dienstleistungsverhältnis’ zu den
Alten. Sie sind die Kellner, sie mutieren zu Pflegern, sie werden für alle
Dienste bezahlt. Sie haben ihre eigene Musiksprache. Eine Ver-bindung zu den Alten entsteht durch überlieferte Geschichten und Märchen, die eine
wiederkehrende Wahrheit verbindet. Zentral ist die Geschichte vom
„undankbaren Sohn“, der den hinfälligen Vater aus dem Schweinetrog essen
lässt, bis sein kleiner Sohn für ihn auch einen solchen Trog bauen möchte.
Die Jugendlichen berichten von ihren gescheiterten Beziehungen zu den
Eltern. Sie liefern den Gegen-entwurf zum 4. Gebot, indem sie verdeutlichen,
dass Eltern „Ehrwürdigkeit“ erwerben müssen. Sie erzäh-len, wie sie sich
kein Vorbild an ihren Eltern nehmen wollen. Eigentlich ein Aspekt ganz im
Sinne des Gebotes, das auch bedeutet, von den Fehlern der Eltern zu lernen.
Sie dichten aus ihren Geschichten Lieder, die sie mit ihren Mitteln
vertonen.
In diesem Projekt arbeiten Laien und Profis miteinander. Der dokumentarische Charakter der Inszenie-rung lebt von der Authentizität der Akteure.