Im Zug lernt er den Kaufmannsohn Parfjonn Rogoschin kennen, der ihm von seiner unseligen Liebe zu der schönen Mätresse Nastassja Filippowna erzählt. Durch die „heilige Krankheit“ seherisch begabt, ahnt Myschkin, dass eine solche Leidenschaft in Hass und Vernichtung umschlagen muss. Wie ein moderner Don Quixote stürzt er sich in einen vergeblichen Kampf, um das drohende Unheil zu verhindern.
Den Jahren nach erwachsen, gleicht Fürst Myschkin aber in emotionaler Hinsicht einem Kind. Vieles, was der Gesellschaft als „idiotisch“ erscheint, beruht schlicht auf seiner naiven Ehrlichkeit und Vertrauensseligkeit.
Der Idiot erschien von Januar 1868 bis Februar 1869 in der Zeitschrift „Russki Westnik“. Dostojewski beschreibt darin eine Gesellschaft, die jeden Glauben verloren hat und deren Mitglieder egoistisch, nur ihrer Vernunft gehorchend, ihre Interessen verfolgen. Seine Titelfigur Fürst Myschkin zeichnet Dostojewski als sowohl schwache wie verklärte Lichtgestalt, als Narren und Erlöser zugleich: Mit seinem hellen Haar, dem weißblonden Bart und den großen blauen Augen erscheint er auf merkwürdige Weise unberührbar. Die laute, gottlose, gewalttätige Welt nimmt ihn sofort als Störfaktor wahr und verletzt ihn auf derart grausame Art, dass ihn am Schluss erneut die „heilige Krankheit“ umfängt, um ihn vor all dem Bösen zu bewahren.
Der ukrainische Regisseur Andriy Zholdak leitete von 2002-2005 das Shevchenko-Theater in Charkiv. Als freier Regisseur arbeitet er u.a. in Russland, Frankreich, Rumänien und in der Schweiz. Seine bildgewaltigen Inszenierungen sind im deutschsprachigen Raum bei den Berliner Festspielen und den Wiener Festwochen zu sehen sowie bei internationalen Festivals in Polen, Italien, Spanien, Kroatien, Bulgarien, Slowenien, der Slowakei, Finnland, den Niederlanden, in Korea und Japan. Neben zahlreichen Preisen erhält er 2004 den UNESCO-Preis für Regie und wird immer wieder zu diversen internationalen Theaterfestivals eingeladen.
Zholdaks Theater ist total und radikal. Er ist bekannt für seine enorme Wandlungsfähigkeit. Jetzt bringt Andriy Zholdak mit Dostojewskijs Der Idiot nach seiner atemberaubenden und bildgewaltigen Adaption von Henry Millers Sexus (2009) erneut ein großes episches Werk auf die Bühne des Theater Oberhausen. Obsessiv beschäftigt sich Zholdak seit vielen Jahren mit dem Roman Der Idiot. Er inszeniert diesen Stoff bereits zum dritten Mal, erst in russischer, dann rumänischer, jetzt in deutscher Sprache.
Adaption von Andriy Zholdak
Regie: Andriy Zholdak
Bühne: Tatyana Dimova und Andriy Zholdak
Kostüme: Tatyana Dimova
Musik: Sergey Patramanskiy
Dramaturgie: Rüdiger Bering
Mit: Nora Buzalka, Ellen Günther, Manja Kuhl, Vanessa Saubke /
Michael Golab, Moritz Löwe, Henry Meyer, Michael Witte, Klaus Zwick