AusMitleid leiht ihr der dortige kauzige Präparator das Geld, da er in ihr eine höhere Tochter sieht, docheine kleine Notlüge löst ihre Schicksalslawine aus. Sie will mit allen Mitteln ihren Weg suchen, um ein Stückchen Glück, das jedem zusteht, für sich zu beanspruchen. Doch ohne Geld keine Arbeit, ohne Arbeit kein Geld, noch weniger Wert, keine Existenz und schon überhaupt kein Glück. Aber sie lässt den Kopf nicht hängen. Ihre Instrumente heißen Esprit, Tatendrang und Ungestüm. Doch sie wirdschnell gebremst von den anderen, die sich für sie als Gesellschaft darstellen: Ein Kuriositätenkabinett skurriler Persönlichkeiten, denen man bei aller Groteske jederzeit auf der Straße begegnen könnte. Jeder darf in diesem Reigen einmal vorne stehen, jeder darf einmal heraustreten aus diesem Totentanz. Die Instrumente dieser Gesellschaft heißen Egoismus, Kapitalismus, Brutalität und Dummheit. Was sie verbindet, diese vor sich hin vegetierenden Individuen, ist vielleicht, dass sie schon längst aufgegeben haben. Dieser Horde, deren Reigen nur noch ein Laufrad darstellt, in dem keiner mehr vom Fleck kommt, im besten Fall mal kurz etwas oben, steht die Talfahrt schon wieder bevor. Im Grunde warten sie alle nur darauf, dass ihnen ein Ende gesetzt wird, denn gestorben sind sie schon lange. Undmittendrin steht Elisabeth, ein kleiner Fels in der Brandung, den die seelenlose Gesellschaft gnadenlos unterspült. Aber sie lässt den Kopf nicht hängen – noch nicht.
Ödön von Horváth, der scharfsinnige Analytiker des Kleinbürgertums, schrieb diesen kleinen Totentanz nach einem alltäglichen Fall, auf den ihn der Gerichtsreporter Lukas Kristl gestoßen hatte. Eine junge Frau, die durch eine (Not)lüge zum Opfer der kleinen Paragraphen, aber in viel stärkerem Maß der großen Grausamkeit ihrer Vollstrecker wird. Der unaufhaltsame Untergang einer jungen Frau als Geisterbahnfahrt in die tiefsten Abgründe unserer Wertegesellschaft ohne Seele. Der Konflikt erscheint dabei so heutig, dass man nicht glauben will, dass das Stück bereits über 70 Jahre alt ist.
Inszenierung: Titus Georgi
Ausstattung: Katja Wetzel
Mit: Kyra Lippler (Frau Amtsgerichtsrat)
Nicole Lohfink (Elisabeth)
Rike Schäffer (Maria)
Carolin Weber (Irene Prantl)
Isaak Dentler (Alfons Klostermeyer, ein Schupo)
Christian Fries (Präparator)
Johannes Lang (Joachim, der tollkühne Lebensretter)
Karsten Morschett (Der Baron mit dem Trauerflor / Ein zweiter Schupo)
Harald Pfeiffer (Oberpräparator / Ein Kriminaler / Der Oberinspektor)
Markus Rührer (Er selbst, der Amtsgerichtsrat)
Manuel Struffolino (Vizepräparator)