Die kunstsinnigen Franzosen waren verrückt nach düsteren, tragischen und blutigen Opern wie Lucia di Lammermoor oder Bellinis I puritani – und nun das: eine charmante, leichtlebige Intrigenkomödie, mit jeder Menge Verstellung und Verkleidung, dargeboten von den größten Gesangskünstlern italienischer Sprache. Die Begeisterung in Paris kannte keine Grenzen, und sie hat bis zum heutigen Tag angehalten: Don Pasquale ist die vielleicht kunstvollste und schönste Opera buffa, die wir heute kennen. Und gewissermaßen ist sie auch die letzte.
Während Gioacchino Rossini seine komischen Meisterwerke am Anfang seiner Karriere schrieb, hob Donizetti sich dies für den Schluss auf. Nach rund 60 Opern zeigt Don Pasquale Donizetti auf dem Zenit seiner Schaffenskraft. Es ist die vorletzte vollendete Oper Donizettis, bei der der Komponist schon geahnt haben mag, dass seine noch verbleibende kreative Zeit begrenzt sein würde. Donizetti nahm sich das bekannte Libretto Ser Marcantanio von Angelo Anelli für eine Neukomposition vor. Und er ließ noch einmal die traditionellen Komödientypen ihren alten Kampf ausfechten: den komische Alten auf Freiersfüßen, das junge und schlaue Mädchen, ihren Liebhaber und den unverzichtbaren Helfershelfer.
Ganz offensichtlich wird jedoch in Don Pasquale dem komischen Alten, den die Jugend gründlich und wenig zimperlich zurechtstutzt, ein Denkmal gesetzt. Das beginnt schon mit dem Titel: Man stelle sich vor, die bekannte Oper Rossinis hieße „Doktor Bartolo“ und nicht „Der Barbier von Sevilla“. Im Gegensatz zu Rossinis ziemlich unleidlichem Alten treffen wir in Don Pasquale auf einen netten älteren Herrn, der, statt seinen träumerischen Neffen ewig zu alimentieren, lieber selbst noch heiraten und eine Familie gründen möchte. Aber wie die Richtige finden? Jung muss sie sein, sparsam, häuslich und natürlich bildhübsch.
Der Hausarzt Dr. Malatesta weiß auch schon eine geeignete Braut: seine Schwester Sofronia. Don Pasquale ist so begeistert von Sofronia, dass umgehend geheiratet wird. Aber ach, kaum ist die Ehe geschlossen, da verwandelt sich die zuvor schüchterne Sofronia in einen regelrechten Weibsteufel, reißt das Regiment im Haus an sich, verprasst das Geld Pasquales und droht ihm schließlich Prügel an. Fortan ist Pasquale nur noch an einem interessiert: den schrecklichen Fehler rückgängig zu machen und diese Frau wieder loszuwerden. Auch hier weiß Dr. Malatesta wieder „guten Rat“. Am Ende darf der betrogene Pasquale eine allseits bekannte Moral mitsingen: Die Zukunft gehört der Jugend, und nur der Jugend. Auf dem Weg zu dieser Erkenntnis erleben wir die schönsten komischen Duette, Terzette und Quartette aus der Feder eines Meisters der italienischen Oper sowie jede Menge überbordender Situationskomik eines wunderbaren Darsteller-Ensembles.
Kiril Manolov fügt mit seinem Rollendebüt als Don Pasquale seinen großen Wiesbadener Partien Falstaff, Figaro, Gianni Schicchi, Miller und dem zuletzt umjubelten Simon Boccanegra eine weitere Paraderolle seines Fachs hinzu. Evgenia Grekova, Sharon Kempton und Emma Pearson singen alternierend die so charmante wie wandlungsfähige Norina, Jonas Gudmundsson und Felipe Rojas Velozo interpretieren den unglücklichen Neffen Ernesto und Brett Carter und Reinhold Schreyer-Morlock geben den Intriganten Dr. Malatesta.
Libretto von Giovanni Ruffini nach Angelo Anelli
Musikalische Leitung Christoph Stiller
Inszenierung Markus Bothe
Bühnenbild Ricarda Beilharz
Kostüme Dorothea Katzer
Choreinstudierung Anton Tremmel
Dramaturgie Stephan Steinmetz
Mit: Kiril Manolov (Don Pasquale), Brett Carter / Reinhold Schreyer-Morlock (Dr. Malatesta), Jonas Gudmundsson / Felipe Rojas Velozo (Ernesto), Evgenia Grekova / Sharon Kempton / Emma Pearson (Norina), Jochen Elbert / John Holyoke (Ein Notar)
Orchester, Chor und Statisterie des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden.