Der Begegnung von Mimì und Rodolfo verleiht Puccini musikalisch den Ausdruck größter Sehnsucht und Hoffnung. In einem unvergleichlichen Duett – Höhepunkt eines jeden Operngalaabends – umschlingen sich beide musikalisch auf eine Weise, wie sie es im Verlauf der Oper nie wieder tun werden. Dieser erste Moment bleibt einzigartig in seinem überraschenden Sich-Ereignen und wird als Erlösungsziel nie wieder erreicht. Zwei sehr unterschiedliche Menschen treffen aufeinander, deren Liebe zusehends scheitert, obwohl kein Zuschauer die Hoffnung auf eine Erlösung beider in der Liebe bis zum Schluss nicht aufgeben mag. Der Tod Mimìs verleiht der Handlung den Charakter schicksalhafter Transzendenz.
Rodolfo lebt im Kreise seiner Freunde, seiner Männer-WG: ein Maler, Musiker, Schriftsteller und Philosoph. Weniger als die eigene künstlerische Disziplin feiern diese Vier ein Lebensgefühl zwischen möglichem künstlerischen Durchbruch und lebensbedrohlichem Scheitern. Solange die eigenen Vorstellungen und Fantasien tragen, lässt sich dieser Zustand aufrecht erhalten. Ungebunden und unverbindlich folgen sie den Reizen des Lebens ohne Verantwortung zu übernehmen und bringen kühn die vom Scheitern bedrohte eigene Existenz scheinbar immer wieder ins Gleichgewicht. Grundlage der beispiellosen Beliebtheit und lebendigen Aktualität der Oper sind die unsterblich schönen Melodien Puccinis. Seine detailreich und genau die Bohème-Atmosphäre charakterisierende Musik ist realistisch und unsentimental. Lyrische Episoden werden durch humorvolle Turbulenzen kontrastiert, und darüber schwebt die klanggewordende Sehnsucht nach ein bisschen Glück im wirklichen Leben.
Mimìs Geschichte ist kurz, wie sie selbst sagt. Wieso sie plötzlich auftaucht, bleibt rätselhaft. Ihre Herkunft, ihre Geschichte liegen im Dunkeln. Einsamkeit und der Wille zu lieben kennzeichnen sie. In ihrer Unbedingtheit wird sie zur Außenseiterin faszinierend und gefährlich gleichzeitig.
Unbefangen und ernsthaft, verspielt, kraftvoll und märchenhaft zugleich ist der bildmächtige Kosmos von Träumen, Illusionen und der harten Realität, den Thorleifur Örn Arnarsson mit seinem Bühnenbildner Jósef Halldórsson und der Kostümbildnerin Filíppia Elísdóttir für Puccinis Oper entworfen haben. In einer Neurealisierung der Produktion, die im Januar 2013 in Augsburg Premiere hatte, erarbeitet Arnarsson gemeinsam mit Generalmusikdirektor Zsolt Hamar eine eigene Variante, in der die Künstler der Bohème mit ihren Träumen in eine Märchenwelt von unwiderstehlichem nostalgischem Zauber eindringen, für Momente das Glück erleben, das aber vergänglich bleibt, wie alles im Leben.
Ihr Wiesbaden-Debüt geben Sophia Christine Brommer als Mimì und Marco Jentzsch als Rodolfo. Das junge Wiesbadener Ensemble, das schon in »Die Frau ohne Schatten«, »Die Hochzeit des Figaro« und »Die Dreigroschenoper« zu erleben war, teilt sich die anderen Rollen der überschwänglichen Bohèmiens.
Musikalische Leitung Zsolt Hamar Inszenierung Thorleifur Örn Arnarsson
Bühne Jósef Halldórsson Kostüme Filíppia Elísdóttir
Chor Albert Horne Leitung Jugendchor Dagmar Howe
Dramaturgie Katharina John
Mimì Sophia Christine Brommer / Elisa Cho Rodolfo Marco Jentzsch / Sébastien Guèze Musetta Heather Engebretson / Gloria Rehm Marcello Christopher Bolduc / Matias Tosi Schaunard Benjamin Russell Colline Young Doo Park Benoît Monte Jaffe Parpignole Patrick James Hurley Alcindoro Jos Hendrix
Chor, Extrachor & Jugendchor des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden
die beiden nächsten Vorstellungstermine sind am 17. & 19. Oktober 2014 // jeweils um 19:30 Uhr