Hemmungslose Leidenschaft (eine inzestuöse Liebe zwischen Mutter und Sohn, angedeutete homoerotische Gefühle zwischen zwei jungen Männern, der eine allerdings von einer Frau gesungen), Selbstsucht auf Kosten anderer, abgrundtiefe Schlechtigkeit und Maßlosigkeit im Handeln eines regierenden Fürsten, Giftmord – noch dazu von einer Frau ausgeführt – als Mittel der Politik (zu Zeiten der Renaissance weit verbreitet) sind ihre spektakulären Bestandteile.
Wegen der grausigen und amoralischen Handlung musste „Lucrezia Borgia“ mehrere, meist zensurbedingte Umarbeitungen über sich ergehen lassen, aber keiner ihrer Phantasienamen (Eustorgia di Romano, Elisa da Fosco, Nizza de Granade, La Rinnegata) war so „passend“ wie der Wirkliche, gibt er doch dem „Opernsohn“ Gennaro Gelegenheit, das Adelsgeschlecht der Borgia durch Weglassen des ersten Buchstaben zu verunglimpfen. Dies setzt die grausame Rache des Ehemannes in Gang: er zwingt Lucrezia, dem jungen Mann, den er für ihren Liebhaber hält, Gift einzuflößen.
Nie nachlassende Spannung, melodische Inspiration, sorgfältige Zeichnung der Charaktere und meisterliche Ensembles zeichnen diese Oper aus, die nach der Entdeckung von „Maria Stuart“ in der vergangenen Spielzeit ein weiterer Höhepunkt des Belcanto am Stadttheater Bremerhaven sein wird – und leider auch die letzte neue Partie von Eun-Joo Park in Bremerhaven.
Musikalische Leitung: Stephan Tetzlaff,
Inszenierung: Peter Grisebach,
Ausstattung: Michele Lorenzini,
Choreinstudierung: Ilia Bilenko.
Ensemble: Eun-Joo Park (Lucrezia Borgia), Ann Juliette Schindewolf (Orsini); Daniel Kim (Gennaro), Kai-Moritz von Blanckenburg (Alfonso d’Este), Jung-Hun Choi (Liverotto), Dong-Sung Cho (Vitellozzo), Róbert Tóth (Petrucci), Lukas Baranowski (Gazella), Slavin Peev (Gubetta / Astolfo), Ralph Ertel (Rustighello); Statisterie, Chor und Extrachor, Städtisches Orchester Bremerhaven