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Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin: "Waisen" von Dennis Kelly

Premiere: 25. April 2012, 19.30 Uhr, E-Werk. -----

In heimeliger Alltags-Idylle isst ein Paar zu Abend: Danny und Helen wollen auf die gemeinsame Zukunft anstoßen. Danny hat einen guten Job, was nicht selbstverständlich ist in dieser Gegend, und Helen erwartet das zweite Kind.

Jäh wird ihr romantisches Candlelight-Dinner unterbrochen, als Liam hereinplatzt: blutüberströmt. Es sei nicht sein Blut, sagt er. Auf der Straße sei ein Junge niedergestochen worden, er habe ihm bloß geholfen. Mit Liam dringt die feindliche Außenwelt unabweisbar in die ersehnte Schutzzone Familie ein. Danny möchte sofort die Polizei rufen. Seine Frau hindert ihn daran. Denn Liam ist Helens einziger Bruder. Und Liam ist vorbestraft. Da ist es besser, keine Aufmerksamkeit auf ihn zu lenken. Seit dem Tod der Eltern fühlt Helen sich für ihren Bruder verantwortlich - mehr als für einen Wildfremden irgendwo da draußen.

 

Mit jeder neu zu treffenden Entscheidung wird die Situation vertrackter für die drei. Wen gilt es zu schützen: den fremden Jugendlichen, der vielleicht einer gewaltbereiten Bande angehört – oder den Bruder? Die Klarheit dieser Alternative ist eine Falle. Als Liam erwähnt, dass es sich bei dem Verletzten um einen Araber handelt, wird Dannys Impuls, die Polizei einzuschalten schwächer. In Helen wächst die Angst vor negativen Folgen noch: Von ihrem Mann verlangt sie, für seine Familie einzustehen, über alle Prinzipien von Recht und Gesetz hinaus. Danny lässt sich überreden, seinen Schwager zu schützen und ahnt nicht, in welch fatales Geflecht aus Halbwahrheiten, Lügen und Liebe er sich verstrickt.

 

Der britische Autor Dennis Kelly zählt zu den besten Dramatikern unserer Gegenwart. Sein Stück zeigt die Suche nach der Wahrheit, während Perspektivenwechsel auf das Geschehen immer neue Lügen aufdecken. Es zeigt die Beschwörung von und die Sehnsucht nach Zugehörigkeit, Lebensgier und fragt, was Mut, Solidarität und Recht ist.

 

„Waisen“ ist "eine Erkundung der Ängste und Loyalitäten, die uns dazu bringen, zu tun, was wir nicht tun sollten. Sowie die Überprüfung, wie leicht unsere moralischen Grundwerte korrumpiert werden." (The Guardian)

 

Regisseur Clemens Schönborn inszeniert das Stück als schwarze Komödie aus einem Land, in dem Kevin kein Name, sondern eine Diagnose ist. Er fragt: Was hält unsere Gesellschaft zusammen? Vielleicht das Einverständnis darüber, dass jeder für sich antritt. Wenn man nicht das Privileg einer bestimmten Bildung oder Beziehung und markwirtschaftlichen Veranlagung hat, gehört man schnell zu den Verlierern. Geborgenheit bieten Banden und ähnlichen Strukturen. Eine Familie ist eine Bande, - eine terroristische Vereinigung auch.

 

Deutsch von John Birke

 

Inszenierung: Clemens Schönborn

Bühne und Kostüme: Julia Kneusels

 

Helen Sonja Isemer

Liam, Bruder Christoph Bornmüller

Danny, Helens Mann Özgür Platte

Tom, der Fremde Marcel Rodriguez

Shane, Helens Kind Statist

 

Die nächsten Termine

Mi, 25. April 2012, 19.30 Uhr, E-Werk

Sa, 5. Mai 2012, 19.30 Uhr, E-Werk

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