In der Rhetorik der PolitikerInnen wird von Flüchtlingsströmen gesprochen, die über das Mittelmeer und „unsere“ Grenzen schwappen. Ein „Wir“ wird behauptet, der Umgang mit den “Anderen” diskutiert, während das, was Menschen zur Flucht veranlasst, abstrakt bleibt.
Alltägliche Kämpfe um Würde und Teilhabe werden Teil eines Theaterprojektes. Eine Gruppe unsichtbarer Menschen tritt in Erscheinung und artikuliert sich. Sie finden kein Gehör, keine Lobby, keine Stimme. Doch gemeinsam mit der Thüringer Flüchtlings(selbst)organisation The VOICE Refugee Forum und der Berliner Autorin Claudia Grehn finden wir sie und ihre Geschichten: die „Sans-Papiers“, die „Geduldeten“, „Illegalen“, Staatenlosen – Flüchtlinge und Migranten, wie sie mitten unter uns leben, und doch unsichtbar, in unmenschlichen Lagern zusammengepfercht, im Schwebezustand zwischen Kultur und Identität. – Ein Rechercheprojekt vom Flüchten, der Suche nach Asyl und gut gemeintem Rassismus.
“Schon mal von positiver Diskriminierung gehört? Fällt Dir eigentlich auf, dass Du die gedankliche Trennung zwischen „uns“ und „denen“ mit Deinem Gutmenschentum noch verstärkst? Wenn wir alle wirklich ‘einfach nur Menschen’ sind, dann behandle uns doch nicht wie zu beschützende Sonderfälle!” – Nurkan Erpulat, türkisch-stämmiger Regisseur am Ballhaus Ost Berlin
Das Theaterhaus Jena legt My heart will go on als Projekt der Vielstimmigkeit zwischen Laien-Darstellern und Schauspielern an. Der Text entsteht im Probenprozess, als Ergebnis des kommunikativen Austausches zwischen den beteiligten Flüchtlingen/ Aktivisten und den Theatermachern.
“Das Projekt ist eine Chance noch einmal neu herauszufinden, wie Theater gemacht werden kann, wie ein Stück entstehen kann – ohne einen Text, der am Schreibtisch entstanden ist. Was passiert, wenn ein Text während der Proben mit Spielern und Schauspielern und den Menschen, um die es gehen soll, entwickelt wird? Grundlage sind die Recherchen.” – Claudia Grehn, Autorin
Der Abend wird die erste Stufe einer Stückentwicklung, die als persönliches Projekt der Autorin Claudia Grehn ihren Ausgangspunkt in dem gemeinsam mit Darja Stocker geschriebenen Stück „reicht es nicht zu sagen ich will leben“ genommen hat. In der Recherche zu Utopien und AktivistInnen in Thüringen und Sachsen kamen sie unweigerlich mit Flüchtlingen in Kontakt, die sich mit Unrechtsbewusstsein und in der Hoffnung auf Demokratie und gelebte Menschenrechte über die Zustände in Deutschland empörten.
Um diese Recherche zu vertiefen, ist Claudia Grehn nun in Jena und beobachtet die Arbeit der AktivistInnen von The VOICE Refugee Forum, Jena. Zwischen Landratsämtern und Mittelmeer – prodemokratischen Bewegungen, Revolutionen – Ausländerbehörde und Residenzpflicht – Klimaerwärmung und Profitraten.
“There are thousands and thousands of Lampedusas everywhere, here in our environment!” – Osaren Igbinoba, The VOICE Refugee Forum, Jena
Auf einer zweiten Beobachtungsebene werden die Beteiligten des Abends – Autorin Claudia Grehn, Regisseur Moritz Schönecker und ihr Team – untersucht: Unter Anleitung der Professoren Stephan Lessenich und Nina Birkner begleiten Studenten der Soziologie und der Theaterwissenschaft den Recherche-Prozess. Im Fokus ihrer beobachtenden Dokumentation stehen die Rollenzuschreibungen, Konstruktionen und Projektionen in der Auseinandersetzung zwischen Machern und Flüchtlingen. Am Ende des Prozesses soll so eine rückschauende Publikation in dem Theatermagazin “Theater der Zeit” entstehen, die Verlauf, Vorgehen und Konfliktlinien des Rechercheprojektes nachzeichnet und journalistisch, feuilletonistisch aufbereitet.
Mit: Bella Asongangi, Hamza Barakat, Miloud L. Cherif, Sarah Cherif, Leyla Darzi, Esther Jacobs Enahoro, Ella Gaiser, Ghassem Hayati,Tina Keserovic, Thomas Ndinda, Maywan Nori, Hassan Siami, Sebastian Thiers und Yves Wüthrich
Text & Recherche: Claudia Grehn
Regie: Moritz Schönecker
Bühne/ Kostüme: Veronika Bleffert & Benjamin Schönecker
Dramaturgie: Jonas Zipf/ Simon Meienreis
Eine Produktion des Theaterhauses Jena in Zusammenarbeit mit The VOICE Refugee Forum Jena und der Friedrich-Schiller-Universität.
Nächste Vorstellungen 30.03.2012, 11.04.2012