EINS: Das junge Mädchen Joan kommt bei ihrer Tante Harper unter. Nachts beobachtet sie zufällig grausame Vorgänge im Hof, die sie nicht versteht. Laut Tante Harper hilft der Onkel Menschen bei der Flucht und gehört zu den „Guten". Weshalb aber muss Joan dieses (blutige) Geheimnis hüten?
ZWEI: Einige Jahre später: Joan hat ihren ersten Job. Mit ihrem Arbeitskollegen Todd entwickelt sich eine zarte Liebesgeschichte. Die Beziehung der beiden wird überschattet von der Erkenntnis, dass ihre Arbeit ein blutiges Regime stützt und sie ebenso ausgebeutet wie „still gestellt" werden.
DREI: Die Welt befindet sich im Ausnahmezustand: Krieg überall. Nicht mehr nur der Mensch kämpft gegen seinesgleichen, auch die Tiere und die Naturgewalten bekriegen sich. Wer gegen wen kämpft und warum, ist unklar. Joan kämpft in diesem Chaos um ihr Zusammensein mit Todd. Ihre Liebe will sie gegen alle Widrigkeiten behaupten, diese als letzten Halt nicht auch noch verlieren.
IN WEITER FERNE beschreibt anhand von drei Situationen Gewalt und Unterdrückungsmechanismen in verschiedenen Kontexten. Die drei Teile des Stücks, die scheinbar nur durch die Figur Joan miteinander verbunden sind, bilden ein Endzeitszenario, dessen Unmenschlichkeit bereits vor der endgültigen Katastrophe spür- und sichtbar ist. Mit einer zarten und bildreichen Sprache zieht Caryl Churchill den Leser in eine Welt voller Grausamkeit und fehlender Hoffnung, in der die junge Protagonistin Joan bei der Bewältigung der um sie stattfindenden Gewalt hilflos bleibt.
Am Ende dieses Prozesses ist jegliche Form von persönlicher Beziehung ebenso zerstört wie die Welt, die aufgrund des anhaltenden Kriegszustandes völlig aus den Fugen geraten ist. Der Weg vom vermeintlichen Idyll zum Endzustand wird erzählt anhand der Entwicklung von Joan. Sie muss als junges Mädchen feststellen, dass in ihrem intimsten Umfeld blutige Verbrechen begangen werden, über die nicht gesprochen werden darf. Am Ende des Stückes wird sie die Einzige sein, die in einer Welt der absoluten Haltlosigkeit und Verwüstung, noch ihren persönlichen Gefühlen traut und diese für sich bewahren kann.
Caryl Churchill schrieb dieses Stück im Jahr 2000. Wie auch in ihren anderen Theatertexten legt sie in "In weiter Ferne" den Fokus auf den Aspekt des Frauseins und der Widerständigkeit, der es bedarf um sich in einer stark veränderten Umwelt zu behaupten.
Kristo Šagor (*1976) realisiert mit IN WEITER FERNE seine zweite Regiearbeit am SCHAUSPIEL STUTTGART. In der letzten Spielzeit inszenierte er erfolgreich Kleists AMPHITRYON im NORD. 2008 wurde Kristo Šagor für seine Inszenierung TÖRLEß mit dem Deutschen Theaterpreis DER FAUST ausgezeichnet.
Regie: Kristo Šagor,
Bühne: Christl Wein,
Kostüme: Sebastian Kloos,
Musik: Sebastian Katzer,
Dramaturgie: Sarah Israel
Mit: Marietta Meguid (Harper), Sarah Sophia Meyer (Joan), Fridolin Yannik Sandmeyer (Todd)
Vorstellungen nur bis 4. Dezember