Tagsüber übt sich die adipöse Jugend bei Liege- und Sonnenkuren streng in der vom Klinikchef vorgegebenen Disziplin, nachts kommt es zum – ebenfalls geplanten – Schokoladen- und Kuchenexzess. Als Vorbild und Motivation haben die fünf den dünnen Sebastian vor Augen, der allerdings seltsam regungslos auf der Gemeinschaftscouch der Station liegt. In der Abgeschiedenheit und Untätigkeit des Klinikalltags wünschen sich die jungen Kurgäste bald zu ihren Familien ins Tal zurück, sehnen sich sogar nach der Schule. Da aber die Patienten trotz aller Mühsal nicht an Gewicht verlieren und auch die erlösende Generaluntersuchung durch Dr. Bärfuss auf sich warten lässt, ist an ein Ende des Martyriums nicht zu denken. In Leos Kinderzimmer daheim wohnt ohnehin bereits – bis zu seiner Entlassung, so lautet die Abmachung – sein schlanker Cousin Seymour aus England. Kleingeld, um seine Eltern anzurufen, hat Leo schon lange nicht mehr, und als dann Max’ Mutter plötzlich aufhört, ihrem Sohn Kuchen zu schicken, bekommen es die jungen Patienten langsam mit der Angst.
Atmosphärisch zwischen «Frühlingserwachen», «Der Zauberberg» und «Warten auf Godot» pendelnd, hat Anne Lepper mit «Seymour» eine düster-groteske Parabel auf den postmodernen Optimierungswahn des Menschen und die permanente Angst, nicht zu genügen, geschrieben. Die Autorin dieses bös-melancholischen Werkes gehört zu den profiliertesten Stimmen der deutschsprachigen Gegenwartsdramatik. Jahrgang 1978, absolvierte sie nach ihrem Geschichtsund Literaturstudium am Literaturinstitut in Biel ein Masterstudium in Literarischem Schreiben. «Seymour» entstand 2011 als Werkauftrag für den Stückemarkt des Berliner Theatertreffen.
Regsseur Dominic Friedel, geboren 1980 in Ansbach, studierte von 2001 bis 2006 Theater- und Medienwissenschaft, Politikwissenschaft und Psychologie an der Universität Erlangen/Nürnberg. Mitwirkung an verschiedenen Theaterprojekten und Kurzfilmen. Zum Abschluss seines Studiums inszenierte er "die bitteren tränen der petra von kant" nach Rainer Werner Fassbinder. Danach folgten Regiehospitanzen am Schauspielhaus Bochum, am Thalia Theater Hamburg und an den Münchner Kammerspielen. Seit der Spielzeit 2007/2008 ist Dominic Friedel Regieassistent am MGT Berlin. 2009
inszenierte er dort "Echolot" von Walter Kempowski und entwickelte zusammen mit Philipp Löhle das Format "Löhles Kommentar zur Wirklichkeit", von dem bisher fünf Teile gezeigt wurden.
Regie Dominic Friedel –
Bühne Olga Ventosa Quintana
Kostüme Senta Amacker
Dramaturgie Sabrina Hofer
Mit Mona Kloos, Milva Stark, Pascal Goffin, Benedikt Greiner, Stéphane Maeder, Andri Schenardi
Weitere Vorstellungen: 17., 27. Dez 2014 | 23. Jan | 01., 12. Feb | 14. Mrz | 24. Apr | 12. Mai 2015