„Wir sind in einem Hotel, einer Transitanlage, auf einem Flugplatz. Wir sind kontrolliert und weiß. Wir sind geschlechtsspezifisch gekleidet, chemisch porenrein. Wir kommunizieren in unsere Geräte, wenn wir uns in Augenblicken begegnen, lächeln wir. Wir haben Sex und Sehnsucht. Wir haben alles in Ordnung. Wir sind in kontrollierter Eile. Wir haben auch die Eile im Griff. Dies ist unsere Zeit.“ So lautet der Vorschlag einer Stimme zu Beginn von Gesine
Danckwarts Stück »Und morgen steh ich auf«. Die Fragen: „Wo sind wir?“ und „Wer sind wir?“ werden immer wieder neu gestellt, der Ort und die Identitäten überschrieben. Ein vierstimmiger Chor arbeitet sich an den Forderungen, Angeboten, Brutalitäten und Banalitäten der modernen (Arbeits-) Gesellschaft ab, zwischen einsamer „Wohnungsendlosigkeit“ der im sozialen Gefüge ortlos Gewordenen und den (auch einsamen) Kämpfern auf der Karriereleiter: „Das ist ja mein Körper, mein Leben und während ich so andauernd das Beste aus mir und meinem Leben und diesem Körper raushole, frage ich mich, wo sich das eigentlich mal je lohnt, wann wird hier abgerechnet und wo
angeschrieben...“. Um zu Funktionieren gehört selbstverständlich neben
dem körperlichen auch das geistige Work-out dazu. Das Ringen um die „richtige“, also erfolgsversprechende Einstellung ist permanente Selbstzensur, vor allem der eigenen Sprache und spätestens seit dem letzten NLP-Kurs sind nur noch handlungs- und lösungsorientierte Formulierungen im Denken erlaubt: „Mails gecheckt. Muß mich kümmern um. Falsch. Will mich
kümmern um. Es ist doch noch früh, oder, früh genug, hoffe, ich, nein ist es.“ Es gibt ein Drinnen und ein Draußen, wer rein will, muss immer wieder anklopfen, mit Gewinnerlächeln und Selbstvertrauen; um nicht heraus zu fallen, braucht es Ideen und den erkämpften Vorsprung vor den Anderen. Wer draußen ist, kämpft mit dem Nichts. „Morgen stehe ich auf, morgen wird alles
anders, ich werde wie ein richtiger Mensch um acht, nein, sieben, ja sicher, um sieben aufstehen, damit ich dann um acht, halb acht, ja sicher, nein, um halb sieben, sicherheitshalber, mit allem Tralala, dass ich dann um halb acht, frischgeduscht kaffelecker porenrein aus dem Haus nach einer, zu etwas, also um zu, ja, eben, zu MACHEN also gehe.“
»Und morgen steh ich auf« ist eine Auftragsarbeit für das Maxim Gorki Theater im Rahmen der Reihe ARBEIT FÜR ALLE.
Regie Gesine Danckwart Bühne Halina Kratochwil Kostüme Hanne Günther
Mit Mariel Jana Supka; Ole Lagerpusch, Stephan Lohse, Norman Schenk