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AMERIKA nach dem Roman von Franz Kafka im Schauspielhaus Zürich

PREMIERE 18.4.2012, 19 Uhr, Schiffbau/Halle. -----

„Als der siebzehnjährige Karl Rossmann, der von seinen armen Eltern nach Amerika geschickt worden war, weil ihn ein Dienstmädchen verführt und ein Kind von ihm bekommen hatte, in dem schon langsam gewordenen Schiff in den Hafen von New York einfuhr, erblickte er die schon längst

beobachtete Statue der Freiheitsgöttin wie in einem plötzlich stärker gewordenen Sonnenlicht. Ihr Arm mit dem Schwert ragte wie neuerdings empor, und um ihre Gestalt wehten die freien Lüfte.“

 

So beginnt Kafkas Roman AMERIKA. Mit nichts in der Hand und seines Koffers ledig beginnt für Karl Rossmann ein neues Leben. Sein Existenzrecht als Sohn hat er verwirkt, weil Alimentezahlung und Schande aus Sicht der Eltern vermieden werden müssen, als Vater, der er praktisch durch Samenraub geworden war, bleibt er ohne Identität. Er ist „Der Verschollene“, wie Franz Kafka seinen Roman gemäss einer Briefnotiz betiteln wollte. Sein Freund, Nachlassverwalter und Herausgeber Max Brod setzte indes als Titel AMERIKA durch und dramatisierte später selbst die Uraufführung – 1957 im Pfauen in Zürich!

 

Geschrieben zwischen 1911 und 1914, ist AMERIKA der erste der drei Romane Franz Kafkas und blieb unvollendet – die Geschichte sei „ins Endlose angelegt“, schrieb Kafka bedauernd an Felice Bauer. Anders als der verleumdete Josef K. in „Der Prozess“ und der Landvermesser K. in „Das Schloss“ begibt sich K. Rossmann auf verhältnismässig reales Terrain: In den Vereinigten Staaten von Nordamerika sucht er seine berufliche und soziale Chance. Dass sich diese Suche als chaplineske

Kette von Missgeschicken und Rückschlägen beschreiben liesse, ändert nichts am naiven, beflissenen Streben der Hauptfigur nach Gerechtigkeit und Anstand. Einen „modernen Sisyphus, der ewig den Felsen der Zugehörigkeit vergeblich wälzt“, nannte ihn Camus; dass Karl Rossmann zu guter

Letzt in einem absurden, metaphysischen „Naturtheater von Oklahoma“ aufgenommen wird („Jeder ist willkommen!“), wirkt wie ein aufgeklebtes Trostpflaster.

 

Frank Castorf ist einer der international einflussreichsten Theaterregisseure. Die von ihm seit 1992 geleitete Volksbühne am Rosa- Luxemburg-Platz in Berlin war der erfolgreichste Neubeginn eines Schauspielhauses in Deutschland nach der Wende. Aufgewachsen in Ost-Berlin und als junger Regisseur in die DDR-Provinz verbannt, hatte Castorf bald nach dem Mauerfall auch erste Berührungspunkte mit der Schweiz. In Basel inszenierte er „Wilhelm Tell“ (1991), in Zürich „Berlin Alexanderplatz“ (2001) und „Trauer muss Elektra tragen“ (2003) sowie in der Spielzeit

2009/10 „Der Hofmeister“ von Jakob Michael Reinhold Lenz und in der Spielzeit 2010/11 „Die schwarze Spinne. Pilatus‘ Traum“.

 

Regie Frank Castorf

Bühne Aleksandar Denic

Kostüme Adriana Braga Peretzki

Licht Frank Bittermann

Video/Live-Kamera Andreas Deinert

Dramaturgie Roland Koberg

 

Mit:

Margit Bendokat

Gottfried Breitfuss

Patrick Güldenberg

Marc Hosemann

Robert Hunger-Bühler

Irina Kastrinidis

Sean McDonagh

Siggi Schwientek

Lilith Stangenberg

 

Weitere Vorstellungen im Schiffbau/Halle:

23./ 24./ 30. April, jeweils 19 Uhr

22./ 29. April, jeweils 18 Uhr

3./ 4. Mai, jeweils 19 Uhr

Weitere Vorstellungen sind in Planung.

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