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"Baruchs Schweigen", Kammeroper von Ella Milch-Sheriff, Stadttheater Fürth

Premiere: 13. Jun 2015, 19.30 Uhr. -----

Kann man den Schrecken der Shoah als Oper auf die Bühne bringen? Die israelische Komponistin Ella Milch-Sheriff (geb. 1954 in Haifa) hat es gewagt: Um sich der Vergangenheit ihrer Familie zu stellen, um das Schweigen ihrer Kindheit aufzubrechen, und um die Erinnerung an den Holocaust wach zu halten.

 

"Baruchs Schweigen" ist das Vermächtnis, das der Vater der Komponistin seiner Tochter hinterließ. Erst nach seinem Tod habe sie aus den Aufzeichnungen erfahren, "was ihn zu dem Mann machte, den ich zuvor nie verstanden habe", sagte Ella Milch-Sheriff 2010 kurz vor der Uraufführung in Braunschweig. Am Stadttheater Fürth wird jetzt die Kammeroper „Baruchs Schweigen" von Ella Milch-Sheriff zum ersten Mal nach der Uraufführung in Deutschland neuinszeniert.

 

Was die Zuschauer erwartet, ist ein ebenso beklemmendes wie persönliches Werk. Und es ist das Vermächtnis, das der Vater der Komponistin seiner Tochter hinterließ. Erst nach seinem Tod habe sie aus den Aufzeichnungen erfahren, "was ihn zu dem Mann machte, den ich zuvor nie verstanden habe", sagte Ella Milch-Sheriff 2010 kurz vor der Uraufführung in Braunschweig, die großen Zuspruch erhielt und die eine heftige Debatte über den Schmerz auslöste, welchen viele in Israel geborene Juden teilweise bis heute in sich tragen.

 

In dem Tagebuch schildert der aus dem früher polnischen Galizien stammende Arzt Baruch Milch den Verlust seines früheren Lebens durch den Holocaust. Die Nazis brachten seine erste Ehefrau und seinen kleinen Sohn um. Auf der Flucht vor den Deutschen musste er hilflos miterleben, wie sein Neffe vom eigenen Vater aus Angst vor Entdeckung getötet wurde.

 

Die Oper kreist letzten Endes um die Frage: Wie soll man mit den Geistern der Vergangenheit umgehen? Wie macht man sich die Existenz der verstorbenen Familienangehörigen bewusst, die einem zwar als Geister schon immer begleiteten, deren Geschichten man aber bisher nicht kannte?

Ella Milch-Sheriff hat sich dem Tagebuch ihres Vaters zunächst 2008 durch die Veröffentlichung ihrer berührenden Lebensgeschichte mit dem Titel "Ein Lied für meinen Vater" genähert. Parallel komponierte sie die Kantate "Ist der Himmel leer?".

 

Der heutige Intendant des Theaters Regensburg Jens Neudorf von Enzberg, damals Operndirektor in Braunschweig, hörte die Kantate und ermutigte Milch-Sheriff den Stoff als Kammeroper zu verarbeiten. Die israelische Theaterautorin und Regisseurin Yael Ronen, die zunächst an der Schaubühne und seit 2013 Hausregisseurin am Maxim-Gorki-Theater in Berlin ist, verdichtete das Tagebuch des Vaters und die Erinnerungen der Tochter zu einem Libretto.

Musikalisch ließ sich Milch-Sheriff von vielen Quellen inspirieren. Sie zitiert jiddische Melodien, israelische Popmusik und huldigt rhythmisch häufig dem von ihr verehrten Kurt Weill. Herausgekommen ist ein angesichts des Hintergrunds erstaunlich unsentimentales Werk.

 

Bei der Fürther Neuinszenierung führt Bruno Berger-Gorski Regie, der aus "Baruchs Schweigen" kein Illusionstheater machen wird, sondern in Form einer Familienaufstellung ein bedrückendes Stück vom lang zurückliegenden Ende der Illusionen. Für die musikalische Leitung konnte Walter Kobéra aus Wien gewonnen werden, der als einer der führenden Dirigenten zeitgenössischen Musiktheaters das Wiener Musikleben in den letzten Jahren entscheidend geprägt hat.

 

Die Produktion wird durch den Bayerischen Rundfunk - Studio Franken aufgezeichnet.

Der israelische Generalkonsul Dr. Dan Shaham übernimmt die Schirmherrschaft anlässlich des Jubiläums 50 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Israel und der Bundesrepublik Deutschland.

 

Libretto von Yael Ronen

Übersetzung aus dem Hebräischen von Avishai Milstein

Deutsche Fassung von Vera Giese

 

Produktion Stadttheater Fürth

Musikalische Leitung:

Walter Kobéra

Inszenierung:

Bruno Berger-Gorski

Ausstattung:

Thomas Dörfler

 

mit Einat Aronstein, Uta Christina Georg, Karl Huml, Shira Karmon, Till v. Orlowsky, Eva Resch, Lorin Wey, Mitglieder jungerChor Nürnberg

Ensemble Kontraste

Aufzeichnung durch Bayerischer Rundfunk - Studio Franken

 

Weitere Termine: 14./17./18./19./20. Jun 2015

jeweils 19.30 Uhr

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