Claus Peymann, Intendant des Berliner Ensembles, bot daraufhin dem aus dem Frankfurter Theater fristlos ausgeschiedenen Thomas Lawinky an, als festes Mitglied ins Berliner Ensemble einzutreten. Er wollte gewissermaßen theatralisches Asyl gewähren.
Das schauspielfrankfurt veröffentlichte seinerseits folgende Stellungnahme:
"Der Schauspieler Thomas Lawinky hat aufgrund seiner Überreaktion auf den Kritiker Gerhard Stadelmaier in der letzten Premiere am 16. Februar 2006 in der schmidtstrasse12 des schauspielfrankfurt um die Auflösung seines Gastvertrages gebeten, um Schaden für Ensemble und Theater zu verhindern. Dafür gebührt ihm unser Respekt. Der Gastvertrag wurde daraufhin im gegenseitigen Einvernehmen aufgelöst.
Thomas Lawinky und schauspielfrankfurt haben damit verantwortungsbewusst und unabhängig die angemessene Konsequenz aus dem Vorfall gezogen. Einer Intervention der Frankfurter Allgemeinen Zeitung oder der Oberbürgermeisterin hätte es nicht bedurft, zumal eine außerordentliche Kündigung von der Intendantin ohnehin nicht in Betracht kam. Die Intendantin stellt nochmals ausdrücklich fest, dass ihr Intendantenvertrag aus gutem Grund die Unabhängigkeit in allen künstlerischen Fragen, auch in Personalentscheidungen im künstlerischen Bereich gewährleistet. Dieser künstlerische Gestaltungs- und Schutzraum ist von allen Seiten, auch von den Medien und der Politik zu wahren.
Die Arbeit des schauspielfrankfurt ist auf dem Grundsatz des gegenseitigen Respekts begründet, dies schließt alle Seiten einer urbanen Gesellschaft mit ein. Das Schauspiel wird nicht hinnehmen, dass so ein bedauerlicher Vorfall wie dieser dazu genutzt wird, den Kunstraum Theater und die künstlerische Freiheit der dort tätigen Künstler einzuschränken. Intendanz und Ensemble haben daher beschlossen, das Stück weiterzuspielen und mit dem Publikum über ihre Theaterarbeit zu diskutieren.
Schauspielerkollegen aus anderen Häusern der Republik, die es selbst allabendlich erleben, wie sich ein Schauspieler der Figur und dem Publikum ausliefert, haben sich aus Solidarität mit Thomas Lawinky bereiterklärt, jeweils für einen Abend dessen Rolle zu übernehmen. In der ersten Vorstellung nach der Premiere übernimmt der Regisseur Sebastian Hartmann die Rolle von Thomas Lawinky."
In den Medien ist unterdessen eine heiße Debatte über den Fall und über die Freiheit der Kunst entbrannt.
Lawinky selbst ist künftig beim neuen Leiter des Berliner Gorki-Theaters, Armin Petras, unter Vertrag.
P.S. 23.2.2006:
Der Bremer Intendant Klaus Pierwoß plädiert dafür, dass die Kritiker Benjamin Henrichs, Helmut Schödel und Robin Detje mit einer Dramatisierung des Falles Stadelmaier beauftragt werden und das beste Stück (Jury: Elisabeth Schweeger und Petra Roth) dann in der Wochenendbeilage der Süddeutschen Zeitung abgedruckt wird; diese Wochenendbeilage SZ profiliert sich immer stärker als Experimentierfeld für Dramentexte von Kritikern.
Darüber hinaus will sich Pierwoß dafür einsetzen, dass das auserwählte Stück in einer Inszenierung von Claus Peymann mit Christoph Schlingensief als Hauptdarsteller beim diesjährigen Mülheimer Stückefestival und beim Berliner Theatertreffen gespielt wird.
P.S. 2, 24.2.2006
Offenbar rief die besagte Aufführung von Jonescos Stück "Das große Massakerspiel des Todes" in Frankfurt den Widerspruch von Jonescos Theaterverlag hervor. Jedenfalls veröffentlichte das schauspielfrankfurt folgende Meldung:
Einigung schauspielfrankfurt mit Theater-Verlag Desch:
schauspielfrankfurt und der Theater-Verlag Desch GmbH, München, haben sich darauf verständigt, daß die Aufführung von Eugène Ionesco »Das große Massakerspiel oder Triumph des Todes« aus Gründen des Urheberrechts unter einem anderen Titel und ohne Nennung des Autors weitergespielt werden kann.
Diese Einigung wurde bereits vor der 2. Aufführung am 23.02.2006 erzielt.
Die Aufführung in der Regie von Sebastian Hartmann trägt ab sofort den Titel »Being Lawinky«
Die nächste Vorstellung findet am Samstag, 25.02.06, 20.15 Uhr, in der schmidtstrasse12 statt.
Die Rolle von Thomas Lawinky übernimmt an diesem Abend Peter Kurth, Thalia Theater, Hamburg.