Diese Tatsache verdankt sie nicht zuletzt der Bedeutung, die in Deutschland den Darstellenden Künsten zugesprochen wird – als ästhetische und kulturelle Ausdrucksform und als wichtige gesellschaftliche Stimme. Das Deutsche Theatersystem mit seinen Staats-, Stadt- und Landestheatern ist weltweit einzigartig. Seit den 1960er Jahren hat sich daneben eine zweite, zunehmend wichtige Säule der professionellen Darstellenden Künste entwickelt – die Freie Tanz- und Theaterszene.
Das „Freie Theater“ wollte explizit Politisches Theater sein und betonte seine strukturelle und ästhetische Unabhängigkeit von den traditionsreichen Staats-, Stadt- und Landestheatern. Etablieren konnte die Freie Tanz- und Theaterszene sich, indem sie mit großer Experimentierfreude und avantgardistischer Freiheit neue Formen erforschte und gesellschaftlich relevante Themen behandelte, sich an ungewöhnliche, theaterferne Orte vorwagte, neue Zielgruppen erschloss und dabei interdisziplinär, genreübergreifend und oft international agierte. Viele Innovationen und Errungenschaften, die die Freie Tanz- und Theaterszene hervorgebracht hat, beeinflussen heute wiederum die Arbeit an Staats-, Stadt- und Landestheatern sowie an den Hochschulen der Darstellenden Künste. Die einstmalige Polarität zwischen beiden Systemen existiert heute so nicht mehr. Vielmehr ist das Verhältnis durch Interdependenzen und verschiedene Kooperationsformen gekennzeichnet.
Die Freie Tanz- und Theaterszene besteht aus unabhängigen, professionellen Einzelkünstlern und Künstlergruppen, die künstlerisch und finanziell eigenverantwortlich produzieren. Für diese gibt es verschiedene Möglichkeiten der öffentlichen Unterstützung, wenn auch auf einem deutlich niedrigeren finanziellen Niveau als für Staats-, Stadt- und Landestheater. Die angespannte finanzielle Lage in Ländern und Kommunen bedroht jedoch diese Vielfalt. Die Kulturnation Deutschland sucht mehr und mehr, ihre kulturellen Aktivitäten marktwirtschaftlichen Prinzipien zu unterziehen, um mit immer weniger Geld Leistungsfähigkeit und Effizienz zu steigern. – Für Kunst- und Kulturschaffende sind die Folgen einschneidend. Für viele Theater- und Tanzschaffende sowie Bühnenbetreiber wird es zunehmend schwieriger, ausreichend Finanzmittel zu erhalten, um das vorhandene künstlerische Potential unabhängig von Verwertungszwängen abrufen zu können. Die Verschlechterung der Arbeits- und Lebensbedingungen für Künstlerinnen und Künstler steht paradigmatisch für die Flexibilisierung der Arbeitsmärkte und Entwicklungen auch in anderen Bereichen unserer Gesellschaft – der Kunst kommt hier eine fragwürdige Vorreiterrolle zu.
Um die derzeitige wirtschaftliche, soziale und arbeitsrechtliche Lage der Tanz- und Theaterschaffenden der Freien Tanz- und Theaterszene in Deutschland in seiner ganzen Komplexität zu dokumentieren, hat der Fonds Darstellende Künste in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Freier Theater und den Landesverbänden Freier Theater sowie mit zahlreichen weiteren Partnern 2008 – 2010 den »Report Darstellende Künste« erarbeitet und Ende 2010 publiziert. Dessen Ergebnisse sind Ausgangspunkt und Grundlage für die Ausstellung »brenne und sei dankbar«.
KONZEPT UND REALISIERUNG Testset (Gesche Piening und Ralph Drechsel)
Mit freundlicher Unterstützung der Akademie der Künste, Berlin, dem Bundesverband Freier Theater e. V. und des Fonds Darstellende Künste e. V. Gefördert durch das Kulturreferat der Landeshauptstadt München und dem ver.di-Bundesvorstand – Fachgruppe Theater und Bühnen testset.org
Eintritt frei