Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
CAFÉ VATERLAND, Eine Matthäuspassion im Berliner Maxim Gorki TheaterCAFÉ VATERLAND, Eine Matthäuspassion im Berliner Maxim Gorki TheaterCAFÉ VATERLAND, Eine...

CAFÉ VATERLAND, Eine Matthäuspassion im Berliner Maxim Gorki Theater

Premiere am Freitag, 23. Februar 2007 um 19.30 Uhr.

Mit musikalischen Fragmenten aus der Matthäuspassion von Johann Sebastian Bach und Texten von Picander, Johann Sebastian Bach, Werner Heisenberg, Blixa Bargeld und aus Werbebroschüren der "Haus Vaterland" GmbH.

Im Jahr 1829 fand in der gerade eröffneten Singakademie ein folgenreiches Konzert statt: Unter der Leitung von Felix Mendelssohn-Bartholdy wurde Bachs Matthäuspassion erstmals seit dem Tod des Komponisten und 100 Jahre nach ihrer Uraufführung wieder aufgeführt.

Mendelssohn überführte die Passion in die weltliche Sphäre eines Konzertsaals – die Matthäuspassion wurde so zu einem überkonfessionellen Kunstwerk.


Weitere 99 Jahre später eröffnete am Potsdamer Platz mit dem „Haus Vaterland“ ein Vergnügungstempel von bis dato nicht gekannten Ausmaßen. Das Caféhaus beherbergte zehn Einzelcafés. Neben der japanischen Teestube gab es ein türkisches Café, ein „urbajowarisches Löwenbräu“, eine italienische Osteria, eine ungarische Csarda, ein Café Grinzing und eine spanische Bodega. Jedes einzelne Café konnte eine Attraktion vorweisen: in den „Rheinterrassen“ konnte man ein Gewitter über dem Strom nachempfinden, im „Löwenbräu“ das Alpenglühen über dem Eibsee. Ein Stab an Künstlern sorgte für das Unterhaltungsprogramm und die „Vaterlandgirls“ tanzten in folkloristischen Kostümen. Das jeweilige Lokalkolorit wurde durch gewaltige illuminierte Panoramabilder erzeugt. Zudem war das „Haus Vaterland“ mit seinen Kammerlichtspielen ein beliebtes Kino in futuristischem Design, ausgestattet mit der neuesten Tonfilmtechnik.


In dem poetischen Musiktheaterexperiment „Café Vaterland – Eine Matthäuspassion“ bearbeitet der Regisseur David Marton zusammen mit dem musikalischen Leiter Jan Czajkowski Fragmente der Matthäuspassion. Die Musik Bachs trifft auf die Idee des „Haus Vaterland“ und seine Geschichte, die von Fernweh und Missverständnissen erzählt, von Größenwahn und Kleinbürgerlichkeit, von Utopie und bösem Erwachen. Im Bühnenraum des heutigen Gorki Theaters, der an ein Kino der 50er Jahre erinnert, entsteht so ein assoziativer Bildstrudel zwischen den Zeiten, zwischen Kino und Caféhaus, Erinnerung und Wirklichkeit, Text und Gesang, angetrieben und grundiert von Bachs Passion. Gemeinsam mit einem Ensemble aus Schauspielern des Maxim Gorki Theaters und Sängern sucht David Marton ungewöhnliche Einblicke in die musikalische Struktur, indem er sie fragmentarisiert und in neue Zusammenhänge transponiert.


Dass die Begegnung zwischen barocker Melancholie und einem überdimensionierten Tanzlokal zu grotesken und surrealen Situationen führt, ist hierbei ein mit Lust am Spiel herbeigeführter Kollateralschaden. In seiner Arbeit forscht David Marton nach der Musikalität geschichtlicher wie aktueller Bilder und Situationen – vor dem Hintergrund der Motive des „Haus Vaterland“ wird der Abend so auch zu einer assoziativen Auseinandersetzung mit der permanenten Identitätssuche und der Sehnsucht nach der Fremde. Als gebürtiger Ungar, der seit zehn Jahren in Berlin lebt, kann Marton sich dabei eines Insider-Blicks von außen bedienen. In erster Linie jedoch geht es ihm um die Musik, deren Vielschichtigkeit und Vielgestaltigkeit er exzessiv auszuloten bereit ist. Dabei generiert er die Spielanlässe aus dem musikalischen Material: Ein Konzert, das – ganz im Bachschen Sinne – aus den Fugen gerät.


Es spielen: Theresa Kronthaler, Jelena Kuljic, Ursula Werner, Yuka Yanagihara; Jan Czajkowski, Radoslaw Jozef Drechny, Wolfgang Hosfeld, Ronald Kukulies.


Regie: David Marton, Musikalische Leitung: Jan Czajkowski, Bühne und Kostüme: Alissa Kolbusch, Video: Isabel Robson 

Die nächsten Vorstellungen: 25. Februar, 4., 11. und 27. März 2007

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 16 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

STIMMUNGSVOLL UND BEWEGEND -- "sparda klassik open air" auf der Freilichtbühne Killesberg STUTTGART

Die Singenden Grundschulen "SingGrund" Filderstadt sowie die Band "POPcorn" unter der kompetenten Leitung von Monika Grauschopf eröffneten dieses Open-Air-Konzert mit "Jetzt geht's los" von Uli Führe.…

Von: ALEXANDER WALTHER

KÖNIGSTHEMA VOLLER ERHABENHEIT -- Neue CD mit Bachs "Kunst der Fuge" mit dem Ensemble il Gusto Barocco bei Berlin Classics

Die kunstvoll-abwechslungsreichen Fugen von Johann Sebastian Bach werden vom Stuttgarter Ensemble il Gusto Barocco sehr ausgewogen und transparent musiziert. Unter der inspirierenden Leitung von Jörg…

Von: ALEXANDER WALTHER

WALZER IN ALLEN SCHATTIERUNGEN -- Monrepos Open Air bei den Schlossfestspielen LUDWIGSBURG

Unter dem Motto "Turned up" eröffnete das Orchester des Goethe-Gymnasiums Ludwigsburg unter der inspirierenden Leitung von Benedikt Vennefrohne diesen besonderen Abend mit der Konzertsuite aus…

Von: ALEXANDER WALTHER

STÜRMISCHE GLUT -- SWR Symphonieorchester unter Markus Poschner in der Liederhalle STUTTGART

Goethes "Egmont" inspirierte Ludwig van Beethoven im Jahre 1810 zu einer Schauspielmusik, die in keiner ihrer verschiedenartigen Nummern erkennen lässt, dass es sich dabei um ein Auftragswerk…

Von: ALEXANDER WALTHER

REIZVOLLE SPRÜNGE -- Arabella Steinbacher im Ordenssaal bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen

Stimmungsvolle Werke hatte sich die Geigerin Arabella Steinbacher zusammen mit dem Pianisten Peter von Wienhardt ausgewählt. Im Arrangement von Jascha Heifetz erklangen zunächst vier leidenschaftlich…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑
StartseiteBeiträgeKritikenHintergründeTheatermacherServiceFachbegriffeSuche