Am 26. Mai 1866 kommt es in London zur Privataufführung eines kleinen Bühnenstücks mit Klavierbegleitung, am 11. Mai 1867 erlebt die Triumviretta Cox and Box von Arthur Sullivan (Musik) und Francis C. Burnand (Libretto) die Uraufführung im Londoner Adelphi-Theater, dieses Mal mit Orchester. Dramatis personae sind: James John Cox, ein Hutmachergeselle; John James Box, ein Druckergeselle und Sergeant Bouncer, der Pensionsbesitzer. Leute aus dem Volk.
Die Geschichte von Mister Burnand im London des Jahres 1866 spielte im Zimmer der Pension des alten Soldaten Bouncer. Worum ging’s? Dieser raffinierte Kerl vergibt seine Absteige gleich an zwei Kunden, was möglich ist, da Box als Drucker-geselle arbeitet und bei Nacht abwesend ist, Cox hingegen Hutmacher und tagsüber außer Haus. Alles geht gut, bis Cox einen Tag Urlaub erhält (was damals recht ungewöhnlich war aber hier dramaturgisch zwingend) und die beiden Herren aufeinander treffen. Die zwei stellen fest – soviel dramaturgische Freiheit muss sein in einer anständigen Komödie - , dass sie mehr als ihr Bett miteinander teilen: Cox ist nämlich neuerdings mit der Witwe Penelope Ann Wiggins verlobt. Box aber war ebenfalls mit ihr verlobt, entzog sich jedoch knapp der anstehenden Heirat, indem er einen Selbstmord vortäuschte. Und nun? Cox ist über das Wiederauftauchen seines Vorgängers hocherfreut, sieht er doch so eine Chance der Heirat zu entgehen und die Wiedervereinigung von Box mit der reizenden Dame zu arrangieren. Box weist dies weit von sich, und die beiden Herren sind kurz davor, ein Duell auszutragen, dessen unglücklicher Gewinner dann vermutlich Penelope Ann heiraten muss. Doch plötzlich trifft ein Brief ein, der überraschende Neuigkeiten bringt und neue Verwirrung stiftet...
Andere Zeit, anderer Ort. 19. Januar 2006: Uraufführung der Triumviretta Cox & Box in der Neuköllner Oper. Uraufführung? Oh ja, durchaus. Denn die Geschichte von einst hat sich beschleunigt, und so sind u.a. ein paar historisch leider unausweichliche Tatsachen eingearbeitet. Noch immer ist das Zimmer (raffiniert...) doppelt genutzt, trotz aktuellen Wohnungsleerstands. Und das ist nicht nur der Dramaturgie geschuldet, sondern auch Frau Bundschuh, einer Frau aus unserer Mitte. Immer noch sind nämlich die Handelnden – Täter und Opfer – Leute aus dem Volk. Aber der Wirt ist heute eine Wirtin, und der Textautor unserer Fassung heißt Andreas Bisowski (Librettist für die Neuköllner Oper u.a. von Herz über Bord (UA 2002), Friendly Fire (UA 2004) und Wischen-No Vision (UA 2005).
Die Sullivansche Musik, desillusionistisch und doch ganz heiter, kultiviert ironisch und doch ganz bar jeder Verschlagenheit, wird von Andrew Hannan (an der Neuköllner Oper u. a. Es fliegt was in die Luft (UA 2003), Kaisers Nachtigall (UA 2002), sowie jüngst die musikalische Bearbeitung der Perlenfischer von Bizet für die Neuköllner Fassung unter dem Titel Bizetlounge: Perlenfischer (UA 2005)) mit Songtexten und eigenen Nummern zu unserer Erfrischung wiederbelebt...
Einmal mehr wird sich die Neuköllner Oper mit diesem Abend als Spezialist für Bravourstückchen aus dem Herkunftsbe-reich der Operette zur Handreichung für unsere gegenwärtige Lebenspraxis empfehlen. Zu diesem Zweck hat sie den Regisseur Marcus Lobbes und die Ausstatterin Pia Mackert erstmals nach Berlin gebeten, um Alexander Mildner („Box“), Doris Prilop (alias Eva Bundschuh) und Christoph M. Schüchner („Cox“) zum klärenden Gespräch an den Tisch der Pension Neuköllner Oper zu setzen. Es ist noch Platz. Nehmen Sie teil - wir wünschen guten Appetit und eine gesegnete Mahlzeit!
Musikalische Leitung: Andrew Hannan Regie und Raum: Marcus Lobbes Kostüme: Pia Maria Mackert Dramaturgie: Bernhard Glocksin