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DER HOFMEISTER von Jakob Michael Reinhold Lenz, Schauspielhaus Zürich

Premiere: Donnerstag, 14.1.2010, 19 Uhr, Schiffbau/Halle

Was einer Gesellschaft ihre Kinder wert sind, erfährt man in DER HOFMEISTER von Jakob Michael Reinhold Lenz, einer Komödie mit dem ironisch gemeinten Untertitel „Die Vorteile der Privaterziehung“.

In dem 1774 geschriebenen Stück, das als die erste Tragikomödie des Sturm und Drang gilt, werden Generationen-, Geschlechter-, Gesinnungs- und

Standeskonflikte leidenschaftlich ausgetragen. In einer Inszenierung von Frank Castorf, Intendant der Berliner Volksbühne und einer der international einflussreichsten Theaterregisseure, wird DER HOFMEISTER, der bisher noch nie in Zürich gespielt wurde, zu sehen sein.

Für den jungen Läuffer gibt es nichts Beschämenderes als das zu sein, was er ist: ein Hofmeister, also ein Privatlehrer. In dem von Standesdünkel durchdrungenen Haus, in dem er beschäftigt ist, behandelt man ihn wie einen Lakaien und setzt sein Gehalt immer weiter herab. Doch können alle Erniedrigungen nicht verhindern, dass die ihm anvertraute Tochter des Hauses bald ein Kind von ihm erwartet. Läuffer wirft sich förmlich in einen Unterdrückungszusammenhang von ökonomischer Ausbeutung, sozialer Demütigung und verbotener Liebe, muss fliehen und sucht schliesslich in einer Selbstkastration sein Heil.

Im HOFMEISTER reflektiert Jakob Michael Reinhold Lenz (1751–1792) sein

eigenes Vorleben – auch er verdingte sich zwischenzeitlich als Hofmeister. Der Autor zeigt darin ein gesellschaftliches Panorama von shakespeareschen Dimensionen, sein reichhaltiges Figuren-Personal ist in brisante politische Debatten über Liberalität ebenso verstrickt wie in grausam-komische Missverständnisse. Als das Stück 1774 erstmals gedruckt vorlag, schrieb die erstaunte deutsche Öffentlichkeit das Drama dem Autor des „Werther“ zu, Johann Wolfgang von Goethe. Man kann von tragischer Ironie sprechen. Denn ebenjener Goethe, mit dem sich J. M. R. Lenz gut befreundet wähnte, sorgte einige Jahre danach in Weimar für dessen Verbannung aus der Stadt, nachdem er seiner leid geworden war. Lenz’ spätere Verfassung als armseliger, umher getriebener Dichter am Rande des Wahnsinns ging dank Georg Büchners Novelle „Lenz“ in die Literaturgeschichte ein.

Frank Castorf ist einer der prägenden Theaterregisseure unserer Zeit. Die von ihm seit 1992 geleitete Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin war der erfolgreichste Neubeginn eines Schauspielhauses in Deutschland nach der Wende. Aufgewachsen in Ost-Berlin und als junger Regisseur in die DDR-Provinz verbannt, hatte Castorf bald nach dem Mauerfall auch erste Berührungspunkte mit der Schweiz. In Basel inszenierte er „Wilhelm Tell“ (1991), in Zürich „Berlin Alexanderplatz“ (2001) und „Trauer muss Elektra tragen“ (2003). Mit „Der Hofmeister“ kann Castorf an eine frühere Beschäftigung mit dem Dichter Lenz anknüpfen: Bei den Wiener Festwochen führte er 2008 bei Wolfgang Rihms Oper „Lenz“ Regie (Libretto frei nach Büchner).

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