Dieses Ende darf man im Schauspiel „Die geliebte Stimme“ hautnah miterleben. Zu sehen und zu hören ist allerdings nur die Frau. Der Mann am anderen Ende der Leitung, der seine Freundin für eine andere verlassen hat, tritt nie in Erscheinung und ist auch nie zu hören. Man muss aus dem Spiel der Schauspielerin den fehlenden Text hinzudenken und so wird dieses Stück für jeden Zuschauer einzigartig und auch ein wenig sein eigenes sein.
Die Zurückgestoßene nimmt alle Schuld der zerbrochenen Beziehung auf sich und klammert sich an dieses letzte Gespräch wie eine Ertrinkende an einen Strohhalm. Doch es hilft alles nichts. Der Mann bleibt bei seinem Entschluss. Es ist vorbei.
Der Einakter von Jean Cocteau wurde 1930 als „La voix humaine“ an der Comédie Francaise in Paris uraufgeführt. „Die geliebte Stimme“, so der deutsche Titel, ist ein moderner Klassiker, wahrscheinlich das beliebteste Ein-Frau-Stück und möglicherweise Cocteaus Beitrag zum „Frauenstück“ schlechthin. In Meiningen inszeniert Friedo Solter diesen hochkonzentrierten Text mit Marianne Thielmann in der weiblichen Hauptrolle.
Nach einer kurzen Pause hebt sich dann der Vorhang für „Die geliebte Stimme“ – jene lyrische Tragödie in einem Akt, die Francis Poulenc auf der Basis von Jean Cocteaus Text komponiert hat. Für Poulenc war die Vertonung des Schauspiels die erste größere Zusammenarbeit mit Cocteau, nachdem er vorher nur den Liederzyklus Cocardes vertont hatte. Als „Mann der Melodie in allen Formen“, wie Poulenc sich selbst nannte, setzte er den langen Telefonmonolog in eine musikalische Form um. Nachdem das etwa 50-minütige Werk zunächst an der Piccola Scala in Mailand, später in New York und Edinburgh aufgeführt wurde, fand die französische Erstaufführung am 6. 2. 1959 an der Opéra Comique unter der Leitung von Georges Prêtre in Paris statt. Jean Cocteau führte Regie und zeichnete auch für die Ausstattung verantwortlich. Eine besondere Schwierigkeit stellte die Verwendung des Orchesters dar: Einerseits sollte eine dramatische Kontinuität der sich ständig steigernden emotionalen Bühnenhandlung gewahrt werden, andererseits musste immer die musikalische Transparenz gesichert sein.
Die Orchesterfassung für das Meininger Theater stammt von Allardyce Mallon. Die musikalische Leitung liegt in den Händen von Robin Phillips. In der Inszenierung von Klaus Rak singt Ute Dähne die Titelpartie. Bühne und Kostüme für dieses Doppelprojekt stammen von Christian Rinke.