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"Don Karlos" von Friedrich Schiller in der Rigaer Fassung, Theater Heilbronn

Premiere am 17. Januar 2015, 19.30 Uhr, Großes Haus. -----

Zwei Jahre vor der französischen Revolution postuliert Friedrich Schiller in diesem Stück sein hohes Ideal von Freiheit und Selbstbestimmung, an dem er aber seine Helden sämtlich scheitern lässt.

Wie so oft in seinem Werk benutzte Schiller Ereignisse aus der Historie, um mit deren Hilfe die eigene Wirklichkeit zu analysieren. Schiller untersucht in seinem „Don Karlos“ die Zusammenhänge von Macht, politischer Gestaltungsperspektive und Deformation der Persönlichkeit, von Handeln und notwendigem Scheitern und die Widersprüche zwischen der Sehnsucht nach privatem Glück und dem gesellschaftlich Notwendigen. Das Stück ist eine Versuchsanordnung, die heiße Utopie und kalte Realpolitik aufeinanderprallen lässt. Darin liegt noch heute die unerhörte Brisanz. Am 17. Januar hat „Don Karlos“ in der Inszenierung von Intendant Axel Vornam Premiere im Großen Haus.

 

Rigaer Fassung

Der Regisseur hat sich für die Rigaer Fassung von 1787 entschieden, die Schiller für das Theater in Riga geschrieben hatte. Diese handelt den Stoff nicht als dramatisches Gedicht in Versen ab, wie andere Fassungen dieses häufig von Schiller überarbeiteten Textes, sondern sie lässt die Figuren in sehr kraftvoller Prosa-Sprache agieren. „Die Versfassungen sind zwar formal vollendet und durchformuliert, haben aber auch ein starkes Pathos. Diese frühe Rigaer Fassung hingegen ist sehr ungestüm, krude, direkt, vermeidet Manierismen und die Figuren sind kantiger skizziert“, begründet Vornam seine Wahl. Außerdem verzichtet die Rigaer Fassung auf die klerikale Ebene, so dass die Personen viel stärker auf ihr eigenverantwortliches Handeln zurückgeworfen sind.

 

Zum Inhalt

Don Karlos, Infant von Spanien, liebt seine Stiefmutter Elisabeth von Frankreich. Früher war sie mit ihm verlobt, wurde aber aus politischen Interessen von Philipp, dem König von Spanien und Vater von Karlos, geheiratet, um Frankreich im Machtkampf zwischen Spanien und England zu neutralisieren. Nur seinem „Jugendfreund“, dem Marquis von Posa, der soeben aus den aufständischen flandrischen Provinzen nach Madrid zurückgekehrt ist, wagt Karlos sich zu offenbaren. Posa ist eigentlich gekommen, um Karlos für den Freiheitskampf der Niederlande zu gewinnen. Doch Karlos interessiert sich nicht mehr dafür, sondern nur noch für seine unerfüllte Liebe zu Elisabeth. In einem von Posa arrangierten Treffen zwischen Karlos und der Königin weist Elisabeth den Infanten entschieden zurück, fordert ihn vielmehr auf, endlich ein Mann zu sein. Das heißt für sie, die persönlichen Interessen hinter den politischen Erfordernissen zurückzustellen und übergibt ihm tränenreiche Briefe aus den niederländischen Provinzen. Da erst, wegen der unerwiderten Liebe, entschließt sich Karlos für den Freiheitskampf der Niederlande und bittet seinen Vater um das Kommando über die in die Provinz zu entsendenden spanischen Truppen. Doch der König lehnt ab. Zu schwierig sei die Mission, zu unerfahren der Sohn. Der krisengestählte Herzog Alba wird an seiner statt zu den Aufständischen geschickt. Don Karlos bleibt in Madrid und wird durch seine affektgeleitete Suche nach Selbstbestimmung zum Spielball zahlreicher Intrigen und Machtkämpfe des Hofes, in die auch Posa verstrickt zu sein scheint. Aufgerieben zwischen privaten Interessen und den realpolitischen Anforderungen der Krone kommen Vater und Sohn, König und Prinz in eine Situation, in der es um Leben und Tod geht.

 

Historische Figuren des 16. Jahrhunderts treffen auf die Ideen der Aufklärung

Spannend und absolut aktuell findet Vornam die Grundsituation, in der Philipp sich befindet. Als König von Spanien steht er einer Weltmacht vor, die an den Rändern anfängt sich aufzulösen und von der Zentralregierung nicht mehr zu beherrschen ist. Was aber würde es auslösen, wenn er den Provinzen Zugeständnisse machen und Flandern aus dem Staatengebilde entlassen würde? Philipp hat als machtbewusster Realpolitiker Elisabeth von Frankreich, die Verlobte seines Sohnes, geheiratet, damit Frankreich an sich gebunden und den weltpolitischen Status Quo zu stabilisieren versucht. Doch trotz seiner Macht ist er ein Gefangener seines eigenen Herrschaftssystems – seine Überzeugungen oder gar seinen Glücksanspruch, opfert er den Zwängen der Realpolitik. Seine Utopien sind auf der Strecke geblieben, in der Auseinandersetzung mit Posa entdeckt er sie wieder. Doch Philipp ist allein, hat keine wirklichen Vertrauten und sieht in seinem Sohn Karlos keinen fähigen Thronfolger. Das wiederum ahnt Karlos. Er hat keine Entfaltungsmöglichkeiten unter diesem übermächtigen Vater. Karlos ist ein wütender, extrem affektgesteuerter junger Mann, der zwischen seinem Anspruch, Verantwortung übernehmen zu wollen - die er aber nicht bekommt - und seiner unglücklichen Liebe zu Elisabeth hin- und hergerissen ist.

 

Elisabeth fügt sich der politischen Raison, nutzt aber ihre Position, um Philipp auf subtile Weise zu beeinflussen – etwa im Sinne der Befreiung der Niederlande. Dem Anspruch auf Liebe und individuelles Glück hat sie abgeschworen. Anders als ihre karrieristische Hofdame, die Gräfin Eboli, die sich irrtümlicherweise von Karlos‘ heimlichen sehnsüchtigen Blicken, die in Wahrheit Elisabeth gelten, angesprochen fühlt. Wegen ihrer enttäuschten Gefühle für Karlos wird sie zur willigen Mittäterin einer Intrige, die sie auf Spaniens Thron bringen soll.

 

Der Malteserritter Marquis Posa versucht mit allen politischen Mitteln den Freiheitskampf in den Provinzen zu unterstützen. Von Karlos zum Freund gemacht, von Philipp als Freigeist geschätzt und zum Minister befördert und von der Königin Elisabeth ins Vertrauen gezogen, beginnt Posa ein gefährliches Verwirrspiel von Intrigen. Posa versucht alle drei für seine Pläne zu instrumentalisieren. Allerdings überschätzt er sich und verstrickt sich mit den gleichen politischen Mitteln des alten Systems, die er so streng verurteilt. Während alle anderen Figuren des Stückes historische Gestalten aus der Mitte des 16. Jahrhunderts sind, ist Posa ein fiktiver Charakter. Schiller hat ihn ideell seiner Zeit weit voraus verortet, indem er ihn mit dem Gedankengut der Aufklärung ausgestattet hat. Mit zentralen Sätzen wie „Geben Sie Gedankenfreiheit“ und „Ich kann kein Fürstendiener sein“ hat er Posa Kernsätze seines eigenen Idealismus in den Mund geschrieben.

 

Don Karlos

Schauspiel von Friedrich Schiller

in der Rigaer Fassung von 1787

Regie: Axel Vornam

Ausstattung: Tom Musch

Dramaturgie: Stefanie Symmank

 

Es spielen: Anastasija Bräuniger (Prinzessin Eboli), Nils Brück (Herzog von Alba), Bettina Burchard (Elisabeth, Königin von Spanien), Stefan Eichberg (König Philipp II. von Spanien), Joachim Foerster (Don Karlos), Gabriel Kemmether (Staatssekretär Perez), Frank Lienert- Mondanelli (Graf Lerma), Raik Singer (Edelmann), Sabine Unger (Marquisin von Mondekar), Sebastian Weiss (Marquis von Posa)

 

Vorstellungstermine: 29. Januar, 30. Januar, 10. Februar, 18. Februar, 26. Februar, 1. März, 4. März, 20. März, 26. März, 7. April, 19. April, 2. Mai , 3. Mai (15 Uhr), 29. Mai., 6. Juni – jeweils um 19.30 Uhr

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