Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
"Eigentlich läuft alles ganz prima" - Sepsis-Panikshow im Theaterhaus Jena"Eigentlich läuft alles ganz prima" - Sepsis-Panikshow im Theaterhaus Jena"Eigentlich läuft alles...

"Eigentlich läuft alles ganz prima" - Sepsis-Panikshow im Theaterhaus Jena

Premiere 30.11.2011, 20:00 Uhr, Oberstübchen. -----

Sie ist eine der häufigsten Todesursachen in Deutschland. Oft erscheint sie den Medizinern unbeherrsch- und unberechenbar. In Jena wird sie deswegen intensiv erforscht: die Rede ist von „Sepsis“ (lateinisch für Blutvergiftung).

Nur langsam kommen die Wissenschaftler hinter das Spiel von Ursache und Wirkung. Die Forschung zeichnet ein erschreckendes Krankheitsbild: das menschliche Auto-Immun-System reagiert angesichts eines Erregers über und zerstört sich selbst.

 

Mrs. Dalloway hatte immer das Gefühl, es sei sehr, sehr gefährlich, auch nur einen einzigen Tag zu leben. – Virginia Woolf

 

Einer Bakterie ist kaum anzusehen, ob sie gut oder schlecht ist. Die mikroskopische Welt der Keime, Viren und Mikroben stellt ein undurchdringliches ästhetisches Geflecht dar. In Eigentlich läuft alles ganz prima beschäftigen sich die Regisseurin Johanna Wehner und die Dramaturgin Sarah Israel mit der Welt jenseits des Reagenzglases und des a-septischen Labors: was würden uns Bakterien erzählen, wenn sie sprechen könnten? Wie klingt ein septischer Schock? Inwiefern lässt sich ein Science-Fiction-Video einer Reise durchs All von einem Live-Bild einer Magen-Darm-Spiegelung unterscheiden? Wie verhält sich ein Wissenschaftler auf einer Theater-Bühne/ wie ein Schauspieler im Vorlesungssaal? Die medizinische Argumentationslogik, die Ästhetik der Bio-Tech-Labore und Human-Genome dient ihnen als ästhetischer Ausgangspunkt für eine szenische Recherche zum Themenkreis Angst, Panik und Überreaktion.

 

Ein System läuft Amok. Wo innere Leere und nicht kompensierter Überdruck herrschen, bleibt Krankheit nicht aus: Die Projektentwicklung Eigentlich läuft alles ganz prima stellt den Zusammenhang zwischen einem medizinischen Phänomen und seinem gesellschaftlich-systemischen Abbild her – der menschliche Organismus als Bild für den Organismus unserer Gesellschaft. Das Projekt seziert den sozialen Körper wie im Labor: nüchtern, analytisch und Schicht für Schicht. Wie lange dauert es, bis das System den Erreger-Eindringling lokalisiert, wie lange bis es ihn vernichtet?

 

Vom Verlauf einer Sepsis lässt sich eine Vielzahl an assoziativen Parallelen zu panischen Überreaktionen ziehen: zur eigendynamischen Deregulierung der Finanzmärkte in den letzten Jahren; zur Eigendynamik staatlich-militärischer Systeme angesichts des Terrorismus; zur Selbstzerfleischung sektenartiger Vereinigungen angesichts eines unbekannten Eindringlings von außen.

 

Eigentlich läuft alles ganz prima, aber trotzdem brauchen wir mehr Überwachung. – Angela Merkel auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2009

 

Mit Sebastian Thiers und Lena Vogt

 

Regie: Johanna Wehner

Dramaturgie: Sarah Israel

Musik: Felix Lange

Bühne/Kostüme: Veronika Bleffert & Benjamin Schönecker

Video: Peer Engelbracht/ impulskontrolle

 

Eine Produktion des Theaterhauses Jena in Zusammenarbeit dem Sepsis-Cluster und der Sepsis-Gesellschaft e.V.

 

Alle Termine:

30.11.2011, 07.12.2011, 08.12.2011, 28.12.2011, 29.12.2011, 11.01.2012, 13.01.2012, 14.01.2012

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 13 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

EXPLOSIVE KLANGMISCHUNG -- "Eine florentinische Tragödie" von Alexander Zemlinsky bei NAXOS (BR KLassik)

Nicht sonderlich erfolgreich geriet die Stuttgarter Uraufführung der einaktigen Oper "Eine florentinische Tragödie" von Alexander Zemlinsky im Jahre 1917 unter der Leitung von Max von Schillings. In…

Von: ALEXANDER WALTHER

Die ganze Wahrheit? -- „True Crime“ - Andrey Kaydanovskiy | Hege Haagenrud | Demis Volpi in der Deutschen Oper am Rhein

Drei tänzerische Perspektiven zu Wahrheit und Fiktion: Andrey Kaydanovskiy „Chalk“, Hege Haagenrud „The Bystanders“, Demis Volpi „Non-Fiction Études“  

Von: Dagmar Kurtz

SZENEN OHNE ILLUSIONEN -- "Tosca" von Giacomo Puccini in der Staatsoper Stuttgart

Kann Kunst unsere Wirklichkeit beeinflussen? Diese Frage steht als zentrales Thema im Zentrum der Inszenierung von Willy Decker, dessen Figuren sich in Puccinis "Tosca" in einem schwarzen Kasten…

Von: ALEXANDER WALTHER

RETTET DIE FRAUEN! -- Premiere "Zertretung" von Lydia Haider im Schauspiel Nord STUTTGART

Die 1985 in Oberösterreich geborene Lydia Haider hat hier einen radikalen Text vorgelegt, der zuweilen an Rainald Goetz erinnert. Die zentrale Frage lautet: Wie geht man mit einem System um, das…

Von: ALEXANDER WALTHER

ATEMLOSE HÖHENFLÜGE -- SWR Symphonieorchester mit Busoni und Sibelius im Beethovensaal der Liederhalle/STUTTGART

Zwei unterschiedliche Zeitgenossen standen diesmal im Zentrum: Jean Sibelius und Ferrucio Busoni. Immerhin weiß man, dass beide in Helsinki Schumanns Klavierquintett in Es-Dur gemeinsam musizierten.…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑